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Politik: Fischer auf Crash-Kurs: der Außenimister will die einstige Alternativpartei mit gestalten und retten

Im Februar war es Hessen, jetzt ist es eine Serie von Niederlagen. Damals flog er zwischen Senegal, Jemen und Jerusalem umher, diesmal sitzt er über den Wolken auf dem Weg nach New York.

Im Februar war es Hessen, jetzt ist es eine Serie von Niederlagen. Damals flog er zwischen Senegal, Jemen und Jerusalem umher, diesmal sitzt er über den Wolken auf dem Weg nach New York. Aber nix Freiheit, Joschka Fischer stößt auch hier oben an jene Grenzen, die seiner Partei von den Wählern gesetzt wurden. Doch was für ein Unterschied: Im Frühjahr war ein missmutiger Außenminister zu erleben, der sich im neuen Amt durch die heimischen Zumutungen gestört fühlte. Nun sind die Grünen ein dramatisches Stück weiter in die Krise gerutscht; ihr wichtigster Mann ist so wenig erfreut wie die innerparteilichen Freunde (und Feinde), aber Fischer lässt keinen Zweifel: Es ist seine Sache, um die es geht. "Ich bin zu vollem Einsatz bereit", wiederholt er, was er vor dem Abflug in den Parteigremien versprochen hat, die er sonst so hartnäckig meidet.

"Unheimlich wichtig", sagt er, sei jener Wirbel, der seit Ende der vergangenen Woche durch die Partei gegangen ist. Das war sein Wirbel. "Sonst hätten wir wieder wortreich aneinander vorbeigeschwiegen." Dass die Spitzen-Grünen so offen wie selten miteinander geredet und heftigst gestritten haben, es ist sein Werk. Er hat mit Gesprächspartnern aus allen Flügeln über die Notwendigkeit eines personellen Schnitts, eines organisatorischen neuen Beginns und seines eigenen Engagements gesprochen. Darüber gab es eine Menge Veröffentlichungen. Nicht jede sah exakt so aus, wie der Verursacher es sich vorgestellt hat. Schwamm drüber. Er kann das aushalten: "Ich gehöre zu der Generation, die in der Schule noch verprügelt wurde."

Die Empörung über die Radikalität seiner Reformforderungen hat nicht verhindert, dass die Partei nun die leidige Trennung von Amt und Mandat aufheben will, die der Qualität ihres Spitzenpersonals bisher so enge Grenzen gesetzt hat. Der Prozess beschleunigt sich sogar. Während Fischer in New York einem anstrengenden Außenministertag entgegenschläft, fordert daheim die Parteilinke Angelika Beer die Vorziehung des Parteitages, der über die Strukturreform entscheiden soll, vom Frühjahr auf diesen Winter.

Vorsitzender, wie so mancher vor allem außerhalb seiner Partei fordert, will Fischer immer noch nicht werden. Aber nach einem Jahr hat er das Ministeramt im Griff. Am Montag nach seiner Rückkehr steht mit dem Außen- auch der Innenpolitiker in Berlin auf der Matte. Dass er dabei bis an die Grenzen seiner Kraft gehen muss, weiß der konditionsstarke Langstreckenläufer. Aber er sieht keine Alternative. Wenn bis zu den Landtagswahlen im Frühjahr in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen das Steuer nicht herumgerissen ist. . . Fischer spricht nicht alles aus, was er denkt. Das Ende der Grünen als Partei sieht er noch nicht drohen; aber ihr Ende als Regierungspartei liegt nicht außerhalb seiner Vorstellungswelt.

Deshalb setzt er auf einen Crash-Kurs. Früher hat er seine reformerischen Vorstöße oft frühzeitig im Burgfrieden mit der Parteilinken abgebrochen. Nachdem dieser Parteiflügel geschwächt ist, versucht er nun seine Protagonisten voranzutreiben, aber auch einzubinden. Und die Schwächen bei den Leuten leugnet er nicht - selbst wenn er auch dies nicht immer offen ausspricht. Aber was ist es anderes als ein verheerendes Urteil über seinen Freund, den Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch, wenn Fischer ankündigt, die "losen Enden" zusammenzubringen, die in der Bundespolitik "so lange herumgehangen haben"? Noch immer sind die Grünen aus seiner Sicht nicht wirklich in der Regierung angekommen. Nun geht er ins Geschirr, damit es sich ändert. Er will mitziehen, aber auch den Kurs bestimmen. Und wenn die anderen nicht spuren - Resignation? Fischer: "Dafür habe ich in die Grünen zu viel investiert."

Thomas Kröter

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