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Politik: „Fischer neigt zur Selbstgefälligkeit“

Bremens Verkehrssenator Reinhard Loske über den Ex-Außenminister und mögliche Koalitionen

Herr Loske, wie fühlt man sich als letzter Grüner in Regierungsverantwortung?

Ich fühle mich sehr wohl in Bremen, danke der Nachfrage. Rot-Grün hat die ersten 100 Tage sauber hinter sich gebracht. Als Bremer Senatoren sind Caroline Linnert und ich zwar die einzigen grünen Landesminister. Wir werden aber nicht die letzten sein. Die nächste grüne Regierungsbeteiligung steht in Hamburg vor der Tür, ob im Bündnis mit der CDU oder in einer Koalition mit der SPD.

Würden Sie den Parteifreunden an der Elbe zu Rot-Grün oder zu Schwarz-Grün raten?

Die brauchen meine Ratschläge nicht. Grundsätzlich ist klar: Die SPD ist nicht mehr unser natürlicher Koalitionspartner. Rot-Grün ist kein ideologisches Projekt. Wir regieren mit der Partei, mit der wir am meisten grüne Politik durchsetzen können. Das ist in Bremen die SPD, anderswo kann es auch die CDU sein.

Diese Woche steht im Bundestag der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zur Verlängerung an. Geht es nach dem Göttinger Parteitag, dann dürfen die Grünen-Abgeordneten einer Verlängerung des Mandats der Isaf-Schutztruppe nicht zustimmen, weil damit auch der Einsatz von Tornados verbunden ist. Würden Sie sich danach richten, wenn Sie noch im Bundestag säßen?

Nein, ich würde für die Fortsetzung des Isaf-Mandates stimmen, obwohl ich den Tornado-Einsatz für falsch halte. Zum Wiederaufbau Afghanistans gehört zur Zeit eine militärische Absicherung. Das wiegt schwerer als die Bedenken gegenüber den Tornados. Ich rechne damit, dass etliche unserer Abgeordneten das genauso sehen.

Haben die Grünen sich mit dem Göttinger Beschluss bundespolitisch auf Dauer in die Opposition verabschiedet?

Dass sich eine Partei in Fragen von Krieg und Frieden quält, ist aller Ehren wert. Aber natürlich haben wir in Göttingen Zweifel an unserer Regierungsfähigkeit im Bund geweckt. Die Wähler fragen sich jetzt, ob wir die Entscheidungen der rot-grünen Regierungsjahre für Kriegseinsätze der Bundeswehr tatsächlich verinnerlicht, oder uns damals nur den Zwängen gebeugt haben, die in der Regierung entstehen. Diese Zweifel müssen wir ausräumen.

Wie?

Indem wir klar machen, dass wir als internationalistische Partei im Extremfall auch weiterhin eine deutsche Beteiligung an militärischen Operationen mittragen.

Welche Lehre sollte die Grünen-Führung aus Göttingen ziehen?

Wir müssen genauer hinhören, was an der Basis gedacht wird, dürfen ihr aber nicht nach dem Munde reden. Führung heißt auch, für seine Überzeugung zu kämpfen. Wenn man stattdessen mit Leitanträgen operiert, die unklare Positionen vertreten, füllen andere das Vakuum. Genau das ist in Göttingen passiert.

Joschka Fischer hat die Grünen nach Göttingen davor gewarnt, sich in „Richtung Illusionen“ zu verabschieden. Zu Recht?

Ich halte seine Äußerungen nicht für hilfreich. Mir war ja klar, dass Joschka Fischer zur Selbstgefälligkeit neigt. Aber ich hätte ihn schon für souveräner gehalten. Angesichts seiner Verdienste für die Grünen dürfte er es eigentlich nicht nötig haben, nachzutreten.

Ende November treffen sich die Grünen wieder zu einem Parteitag. Parteifreunde befürchten weitere Rückschläge, wenn das von Ihnen unterstützte bedingungslose Grundeinkommen beschlossen werden sollte.

Ich halte ein solches Bürgergeld für richtig, denn es entspricht meinem Menschenbild. Ich glaube nicht, dass der Mensch von Sozialbürokratien kujoniert und getriezt werden muss, um aktiv zu werden, sondern dass er bei einer sicheren ökonomischen Basis angstfreier agieren kann. In Nürnberg kann es aber nur um Schritte zu diesem bedingungslosen Grundeinkommen gehen.

Das Signal wäre, dass die Grünen nicht nur mit Fischers Außenpolitik, sondern auch mit Schröders Sozialreformen brechen.

Es gibt einige bei den Grünen, die diese Diskussion missbrauchen, um sich von den richtigen Elementen der Agenda 2010 zu verabschieden. Mit diesen Leuten möchte ich nicht in einem Boot sitzen.

Das Gespräch führte Stephan Haselberger.

Reinhard Loske

ist seit Juni

Verkehrssenator in Bremen. Zwischen 2002 und 2006 war er stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen.

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