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Politik: Fischer tauscht Macht wieder gegen Freiheit

Außenminister sieht im Ende von Rot-Grün eine Zäsur – und möchte nun die Posten in der ersten Reihe Jüngeren überlassen

Von Hans Monath

Berlin - Alles deutete auf eine eher undramatische Fraktionssitzung der Grünen hin. Viele Abgeordnete und Mitarbeiter stellten sich am Dienstagnachmittag im Reichstag darauf ein, dass die Fraktionsführung die neuen Parlamentarier begrüßen und die alten verabschieden würde. Joschka Fischer analysierte die politische Lage und fand anerkennende Worte für die Leistungen der eigenen Partei. Als der Außenminister mit dem Satz „Jetzt ein persönliches Wort“ zu einer Erklärung in eigener Sache anhob, stockte dann manchem im Saal der Atem. Als so dramatisch empfanden Zeugen den Moment, dass Spitzenpolitikerinnen der Partei mit den Tränen rangen.

Wenige rechneten damit, dass ausgerechnet jener Politiker freiwillig aussteigen würde, der in Berlin als geradezu besessen von der Macht gilt. Vom Ruf des Vormanns nach einem Generationenwechsel wurden die meisten im Saal deshalb kalt erwischt. Es sei „Zeit für eine Zäsur“, das rot-grüne Kapitel sei zu Ende. Er werde nicht für das Amt des Fraktionschefs kandidieren und auch kein anderes Amt in Partei oder Fraktion mehr annehmen, falls die Grünen nach den Verhandlungen mit den anderen Parteien um eine Regierungsbildung die Rolle einer Oppositionspartei übernehmen würden, erklärte der Grünen-Patriarch seinen verblüfften Zuhörern. Die Aufgaben müssten nun Jüngere übernehmen.

Unmissverständlich machte Fischer deutlich, dass sich sein Abschied aus der ersten Reihe nur in einem Extremfall verzögern werde: Er selbst halte eine Regierungsbeteiligung der Grünen in einer der momentan gehandelten Koalitionen für ausgeschlossen. Bei realistischer Betrachtung winke den Grünen nun die Oppositionsrolle. An den Verhandlungen mit den anderen Parteien wolle er sich aber dennoch beteiligen, solange es um die Macht gehe. Am Ende der Rede feierte ihn der Saal minutenlang, die Abgeordneten standen klatschend auf. Es habe eine Mischung von Rührung, Achtung und Dankbarkeit geherrscht, hieß es.

Die Grünen sieht Fischer „als moderne Linkspartei gut aufgestellt“, wie er die Zuhörer wissen ließ. Das Werben der Union um die Ökopartei steigert nach Ansicht des Außenministers auch deren Wert. Und als Mann der Vergangenheit, der nicht loslassen will, will Fischer offenbar nicht in Erinnerung bleiben. Helmut Kohl ist ihm da ein abschreckendes Beispiel. Er werde die Fraktion „aus der letzten Reihe schweigend begleiten“, kündigte Fischer an. Auch über die Bürde der Politiker machte er eine Bemerkung. Er habe mit der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag in Hessen im Jahr 1985 „Freiheit für Macht getauscht“, sagte der Minister. Nun wolle er „die Freiheit wieder zurück“. Sein Mandat will Fischer zunächst annehmen, wobei er offen ließ, ob er die ganze Legislaturperiode durchhält. Vor Journalisten ließ er vage durchblicken, er wolle sich künftig einer Aufgabe fern der deutschen Politik widmen.

In der Fraktion wird nun mit einem spannenden Kampf um die beiden Posten an der Fraktionsspitze gerechnet. Verbraucherministerin Renate Künast meldete wie ihr Ministerkollege Jürgen Trittin (Umwelt) ihren Anspruch an. Auch Ex-Parteichef Fritz Kuhn und die bisherigen Fraktionschefinnen Katrin Göring- Eckardt und Krista Sager treten an.

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