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Politik: Fischers nächste Konflikte

Der Außenminister reist in den Südkaukasus. Kann er dort vermitteln – und auf Deutschlands Erfolgen in Afghanistan aufbauen?

Von

Von Matthias Meisner, Berlin

und Elke Windisch, Moskau

Außenminister Joschka Fischer hat sich eine Menge vorgenommen. In knapp vier Tagen will er von diesem Montag an in Afghanistan und den südkaukasischen Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan, Armenien und Georgien vor allem nach Möglichkeiten über die Beilegung von Konflikten suchen, die häufig bereits seit Generationen schwelen oder gar zum offenen Krieg eskalierten.

Es ist eine Aufgabe, mit der nicht nur die Chefs der labilen Staaten offenkundig überfordert sind. Auch die USA und Russland stoßen beim Krisenmanagement am Hindukusch und im Transkaukasus schnell an Grenzen. Wegen handfester eigener Interessen in den strategisch wichtigen Regionen mit umfangreichen Öl- und Gasvorkommen gelang es beiden bisher nicht, sich überzeugend als ehrlicher Makler einzuschalten.

Der EU werfen die Staaten der Region hingegen vor, ihr außenpolitisches Engagement bleibe weit hinter dem Wirtschaftspotenzial der Gemeinschaft zurück. Berlin jedoch hat zumindest in Afghanistan Verantwortung übernommen – als Ausrichter dreier Friedenskonferenzen und wichtiger Stütze der Internationalen Schutztruppe. Auf der Agenda des deutschen Außenministers steht auch die Vorbereitung der Wahlen im Herbst, die derzeit an Kämpfen der noch immer mächtigen Warlords in mehreren Landesteilen zu scheitern drohen. Angesichts wachsender Probleme Washingtons im Irak könnte Berlin am Hindukusch künftig sogar die tragende Rolle im Friedensprozess zufallen.

Das Engagement in Afghanistan kann dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Berlin und Washington zu normalisieren und zugleich die Chancen Deutschlands auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verbessern. Auch deshalb hat die rot-grüne Koalition eine von der jüngeren deutschen Außenpolitik eher stiefmütterlich behandelte Region wiederentdeckt – den Transkaukasus. Nach dem Sturz Eduard Schewardnadses geht es darum, dem bei der „Rosenrevolution“ ins Amt gekommenen neuen georgischen Staatschef Michail Saakaschwili zu signalisieren, dass Berlin auch mit ihm zusammenarbeiten will. Die enge Freundschaft zu Schewardnadse beruhte ohnehin auf der falschen Annahme, der frühere sowjetische Außenminister habe eine Schlüsselrolle bei der deutschen Wiedervereinigung gespielt.

Bei einer Konferenz mit den deutschen Botschaftern in Tiflis werden alle innenpolitischen Konflikte auf dem Tisch kommen: von der Auseinandersetzung um Georgiens abtrünnige Region Abchasien am Schwarzen Meer bis zum seit etwa zehn Jahren nur ruhenden Streit um Berg-Karabach, einer zu Aserbaidschan gehörenden, aber von Armeniern bewohnten Enklave.

Fischer wird zeigen müssen, wie viel er von Interessenausgleich versteht: In Eriwan will er, kurz vor dem Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern die Gedenkstätte besuchen – und er wird auch Stellung nehmen müssen zu dem Genozid, der von der Türkei nach wie vor bestritten wird. Auch ein Gespräch mit Präsident Robert Kotscharjan ist geplant. Für dessen Ablösung protestieren seit Tagen in Eriwan Tausende, wohl auch das jüngste georgische Szenario zum Vorbild nehmend – EU und Europarat äußerten sich bereits besorgt über willkürliche Verhaftungen bei den Unruhen. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew – Fischer will ihn in Baku treffen – machte kurz vor der Kaukasus-Reise des deutschen Außenministers schon mal Station in Ankara. Dort appellierte er an die Türkei, Druck aus den USA und der EU zu widerstehen und die Grenze zu Armenien nicht zu öffnen. Zugleich forderte er die „bedingungslose Rückgabe“ von Berg-Karabach.

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