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Wahlkampf trotz Lungenentzündung: Hillary Clinton

© AFP

Fitness im US-Wahlkampf: Schadet Hillary Clinton ihrer Gesundheit?

Der Streit um die Gesundheit von Clinton und Trump liefert keine Transparenz. Schon früher schon waren Präsidenten weniger fit, als man dachte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Das wohl Erstaunlichste in der vergangenen Woche im US-Wahlkampf war etwas, was ausblieb: Donald Trump, der gewöhnlich jede Schwäche seiner Gegner gnadenlos nutzt, vermied es, Hillary Clintons Gesundheitsprobleme anzusprechen. Hat er mehr zu verbergen als sie?

Die Bilder, wie Personenschützer die Kandidatin am vergangenen Sonntag von der 9/11-Gedenkfeier wegführen, ihr die Beine versagen und sie wie eine leblose Puppe ins Auto gehievt wird, haben ihr enorm geschadet. Da muss er nicht nachhelfen. Zudem hat er kein Interesse, nach seiner eigenen Fitness gefragt zu werden. Er ist 70 und kein Ausbund körperlicher Leistungsfähigkeit. Auch in dieser Hinsicht haben die US-Bürger 2016 nur die Wahl, wen sie als das geringere Übel betrachten.

Noch eine Überraschung folgte: Trump rückte Angaben zu seiner Gesundheit heraus – eine Transparenz, die er in Sachen Steuererklärungen, die Kandidaten in Amerika üblicherweise offenlegen, hartnäckig verweigert. Das ist umso bemerkenswerter, als er preisgab, zuvor geschwindelt zu haben. Nach dem Body-Mass-Index ist er „fettleibig“ und nicht nur „leicht übergewichtig“. Bis dahin gab es nur einen nichtssagenden Brief seines Arztes Harold Bornstein, dessen unfachmännische Wortwahl nach Werbebroschüre klang: Trump würde „das gesündeste jemals zum Präsidenten gewählte Individuum sein“. Nachdem US-Medien argwöhnten, das Schreiben sei in der Wahlkampfzentrale formuliert worden, sagte Bornstein, man habe ihm nur fünf Minuten Zeit gelassen, während draußen ein Auto mit Blaulicht wartete, und manche Sätze waren vorgegeben.

100/65 gegen 116/70

In den vergangenen Tagen haben die Bürger nun manches über die Kandidaten erfahren: Clintons Blutdruck ist 100/65, Trumps 116/70. Er nimmt Medikamente gegen hohe Cholesterinwerte, sie Blutverdünner, nachdem sie 2012 gestürzt war und sich ein Blutgerinsel unter der Schädeldecke gebildet hatte. Aber das ist eine Scheintransparenz. Ihre letzte umfassende Untersuchung war im März 2015; seine Daten stammen zum Teil von 2013 und 2014.

Wie fit – oder „unfit to serve“ – die Präsidenten waren, haben die Bürger oft erst im Nachhinein erfahren. Woodrow Wilson hatte 1919 einen Schlaganfall, seine Frau Edith führte die Geschäfte. Franklin D. Roosevelt war bemüht, Bilder zu vermeiden, die ihn im Rollstuhl zeigen. Ronald Reagan wurde nach dem Attentat erst wieder gefilmt, als er bereits wieder scherzen konnte: Er habe vergessen, sich rechtzeitig zu ducken.

Heute gibt es mehr Bilder, aber transportieren sie die Wirklichkeit? Ein Präsidentschaftswahlkampf gehört zu den brutalsten Fitnesstests, die man sich vorstellen kann: anderthalb Jahre mit mehreren öffentlichen Auftritten beinahe täglich neben der ganzen Arbeit hinter den Kulissen. Laut Insidern ist körperliche Fitness entscheidender als die intellektuelle Leistung. Wer Trump und Clinton im Wahlkampf begleitet hat, wird den Eindruck gewinnen, dass sie die bessere Kondition hat und er die Anstrengung meidet. Sie absolviert rund doppelt so viele Auftritte wie er. Doch von ihr gibt es jetzt Bilder, wie sie schwächelt, von ihm nicht. Übereifer kann auch schaden.

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