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Politik: Fixstern Johannes Rau

SPD streitet mit Rüttgers um das politische Erbe

Die meisten Termine waren schon blockiert. Am liebsten hätten die Sozialdemokraten den 20. September gewählt, jenen Tag im kommenden Monat, an dem Johannes Rau vor 30 Jahren zum Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen gewählt worden ist. Doch dieses Datum ist belegt, seit die Pläne von Jürgen Rüttgers öffentlich wurden, der zu diesem Anlass seinen sozialdemokratischen Vorgänger würdigen möchte und dafür eigens auf die Hilfe des früheren Rau-Vertrauten Bodo Hombach zurückgegriffen hat. Wie inzwischen bekannt gewordene Vermerke aus der Staatskanzlei belegen, setzt Rüttgers fest darauf, dass Hombach, der als publizistisches Schwergewicht die Geschicke des WAZ-Konzerns lenkt, ihm hilft, sich als Erben von Rau zu profilieren.

Weil die oppositionellen Sozialdemokraten fürchten mussten, diesen Kampf publizistisch zu verlieren, wählten sie einen früheren Termin und erinnerten jetzt an den Beginn der politischen Karriere des Wuppertalers, der im Juli 1958 zum ersten Mal von den Menschen seiner Heimatstadt in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt wurde.

Als kleine Spitze gegen Jürgen Rüttgers, der sich für sozialdemokratische Ohren in all seinen Reden allzu lautstark mit dem Menschenfischer aus dem bergischen Land schmückt, haben sie die Dramaturgie der Veranstaltung angelegt: Rüttgers wurde zwar eingeladen und auch in der ersten Reihe platziert, durfte aber nicht reden. So muss er lächelnd mit ansehen, wie ihn seine Herausforderin, Oppositionsführerin Hannelore Kraft, vergnügt und besonders freundlich begrüßt.

„Willkommen bei den Sozialdemokraten“, ruft sie dem erstaunten Christdemokraten zu. In ihrer Rede würdigt sie Johannes Rau als einen der wenigen Politiker, bei dem Reden und Handeln übereingestimmt haben und deutet höchstens zwischen den Zeilen an, dass sie bei ihrem Gast in der ersten Reihe nicht immer diesen Eindruck hat. Nur an einer Stelle attackiert sie ihren Gast offen mit dem ehemaligen Bundespräsidenten. „Mit Studiengebühren errichtet man zusätzliche soziale Hürden“, sagt sie und fügt dann noch etwas verschämt hinzu, „so viel Aktualität muss erlaubt sein“. An dieser Stelle schaut Jürgen Rüttgers betreten auf seine Fußspitzen.

Obwohl an diesem Tag viel von dem Versöhner Rau die Rede ist, wird hinter den sozialdemokratischen Kulissen eher über die gegenwärtigen Spannungen in der Parteispitze geredet. Weil Hannelore Kraft auch Parteichef Kurt Beck eingeladen hat und ihn reden lässt, beobachten viele Franz Müntefering. Der ist – gemeinsam mit Peer Steinbrück – etwas zu spät gekommen und hat dann in der ersten Reihe Platz genommen. Wann immer Beck in die rechte Seite des Saales blickt, kreuzen sich ihre Blicke.

Ob der SPD-Chef wohl die Gelegenheit nutzen wird, hier, wie schon lange mit Spannung erwartet, mit Müntefering über dessen politische Zukunft zu sprechen? Die sich aufdrängende Frage wird aus seinem Umfeld zunächst verneint – dafür sei keine Zeit. Später ist dann zu erfahren, dass die beiden sich am Rand der Veranstaltung doch zu einem Gespräch zurückgezogen hätten. Über den Inhalt freilich verlautete nichts. Dafür macht in Wuppertal die Runde, dass Müntefering mit Hochdruck an einem Buch arbeitet, in dem er die Agenda nach der Agenda propagieren wird. Erscheinen soll das Werk im Herbst. Bis dahin wird sich wohl geklärt haben, wie Münteferings politische Zukunft aussieht.

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