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Ein Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen schwenkt eine Reichsflagge vor dem Reichstagsgebäude.

© dpa/Fabian Sommer

Update

Nach Fahnen auf Corona-Demos: Berlin prüft Verbot von Reichs- und Reichskriegsflaggen

Nach Bremen erwägt auch Berlin, die Reichs- und Reichskriegsflaggen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Auch über ein bundesweites Verbot wird debattiert.

Von Gloria Geyer

Die Szenen von Reichskriegsflaggen und Reichsfahnen, die am Rande der Corona-Demo in Berlin vor dem Reichstagsgebäude geschwenkt wurden, sorgten bundesweit für Entsetzen. Auch auf weiteren Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen, an denen auch Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme teilnahmen, war die Flaggen immer wieder zu sehen.

Berlin will nun ein Verbot der Flaggen prüfen. Das berichtet die Berliner Zeitung am Sonntag unter Berufung auf einen Sprecher der Senatsinnenverwaltung.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte zuvor am Samstag auf dem digitalen Parteitag der CSU an, die Reichskriegsflagge in Bayern zu verbieten. „Mit einer solchen Flagge zeigt man nämlich seine klare Ablehnung und auch Distanz zu unserer Demokratie“, sagte Söder. „Wir lassen unsere freiheitliche Demokratie nicht von Rechtsradikalen kapern.“

Bremen hatte als erstes Bundesland vergangene Woche ein Verbot der Reichskriegsflagge und der Reichsfahne beschlossen. Die Verwendung der Fahnen in der Öffentlichkeit stelle "regelmäßig eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar", heißt es in dem Erlass. Die einfache Reichsflagge ist allerdings nur betroffen, wenn "eine konkrete Provokationswirkung im Einzelfall besteht".

Baden-Württemberg und Thüringen erwägen ebenfalls ein derartiges Verbot. Auch über ein bundesweites Verbot wird debattiert.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach sich dafür aus, die Reichskriegsflagge aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. „Der Bundesinnenminister begrüßt es, wenn die Länder ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um das Zeigen der Reichskriegsflagge in der Öffentlichkeit zu unterbinden“, sagte sein Sprecher der Deutschen-Presse Agentur am Freitag. Das Thema soll bei der Innenministerkonferenz im Dezember auf der Tagesordnung stehen.

Wann wurde die Reichskriegsflagge verwendet?

Die Flagge mit schwarzem Kreuz auf weißem Grund, einem Adler in der Mitte sowie links oben schwarz-weiß-rote Streifen mit dem Eisernen Kreuz stammt ursprünglich noch aus der Monarchie. Sie war die offizielle Kriegsflagge der Streitkräfte des Deutschen Reiches von 1871 bis 1945. In diesem Zeitraum gab es sie in mehreren offiziellen Versionen. Die Verwendung der Reichskriegsflagge der Nationalsozialisten, bei der der Adler durch ein Hakenkreuz ersetzt wurde, ist bundesweit verboten.

Die Flagge mit Kreuz wird oftmals von Rechtsextremen und rechten Gruppen verwendet - anstelle von verbotenen nationalsozialistischen Ensemble. Durch die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, auf denen sich neben rechten Gruppen etwa auch Esoteriker und Impfgegner versammelten, wurde die Flagge verstärkt in der Öffentlichkeit präsentiert.

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Die Verwendung der Fahne bedeutet auch eine Glorifizierung der deutschen Streitkräfte während des Kaiserreichs und des Dritten Reiches sowie eine Relativierung des Ersten und des Zweiten Weltkrieges.

Wann wurde die Reichsfahne verwendet?

Die schwarz-weiß-rote Flagge mit horizontalen Streifen - die Reichsfahne - war zwischen 1871 und 1919 die Flagge des Deutschen Reiches. Bereits während der Weimarer Republik beanspruchten rechtsextreme Organisationen die Fahne für sich.

Doch was würde ein bundesweites Verbot der Fahnen bedeuten? Würden die Reichs-Symbole damit endgültig aus dem öffentlichen Raum verbannt werden? Wohl kaum.

Denn in rechtsextremen Kreisen gibt es diverse Symbole, die als Alternative und als "Ersatzflagge" herhalten könnten. "Wenn Seehofer und die Innenminister der Länder die Reichsfahne verbieten, dann wird sich ein anderes Symbol gesucht", sagte FDP-Innenexperte Benjamin Strasse der "Saarbrücker Zeitung" (Samstagausgabe). Die FDP spricht sich gegen ein bundesweites Verbot aus.

Vielmehr müsste die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden verbessert werden, sagte Strasse weiter. Denn Rechtsextreme würden ganz gezielt, sich anderen Gruppen anschließen und diese unterwandern.

Simone Rafael, Sprecherin der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt, hält ein Verbot ebenfalls für wenig zielführend. Es sei denkbar, dass die “rechtsalternative Szene” sich eine neue Flagge sucht - oder einfach verstärkt die schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne schwenken würde, sagt sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vielmehr sei es wichtig, herauszufinden, wie Menschen, die mit diesen Flaggen marschieren, wieder zurückgeholt werden könnten. (mit dpa, Reuters)

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