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Künstliche Befruchtung einer Eizelle.

© FOTOLIA

Flexiblere Kinderwunsch-Regeln: Das Erziehungsrecht braucht Grenzen

Bei Adoptionen wird das "Wächteramt des Staates" sehr genau genommen. Warum bietet der Staat nicht generell einen "Elternführerschein" an? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Ableger. Mit dem Wort bezeichneten manche Leute im lockeren Ton ihre Kinder, damals in den 1970er oder 1980er Jahren. Ableger, Kurze, Zwerge. Man wollte nicht sentimental sein, war aber doch stolz aufs eigene Kind. Ableger, ein Begriff aus der Pflanzenwelt, passt zur Fortpflanzung. Betont wird die Abstammung, Stamm und Zweige: das Kind, das eigene, als ein Stück von mir, der Mutter, als ein Stück von uns, den Eltern.

Während es auf weiten Teilen der Südhalbkugel des Globus von eigenen Kindern nur so wimmelt, werden sie in hochindustrialisierten Gesellschaften vielerorts zu Raritäten, zu ersehnten Kostbarkeiten. Ältere Menschen wollen Eltern werden, Karriere- und Familienplanungen ziehen sich hin, gleichgeschlechtliche Paare und sogar Alleinstehende begehren Nachwuchs. Oft könnte nur die Reproduktionsmedizin helfen, die erhofften Ableger anzusetzen – Spenden von Eizellen und Samen, Implantieren von Embryos in Leihmütter.

Zumindest an den Freien Demokraten soll der Fortschritt des Fortpflanzens nicht scheitern. Sie regen an, dass das alles neu reguliert werden könne, moderner, freier, flexibler, wie etwa in Dänemark, Israel oder Japan schon üblich. Kassen sollen mehr Kinderwunschbehandlungen erstatten, das Abstammungs- und Adoptionsrecht müsse der gesellschaftlichen Wirklichkeit gerecht werden, Elternschaft für ein Kind solle auf bis zu vier Personen ausgedehnt werden können. Und Ethiker aller Couleur runzeln die Stirn: Egoismus! Sünde! Wider die Natur! Sich ein „Kind anschaffen“, wie es im Kapitalismus treffend heißt, egal wie?

Doch längst entstehen Kinder auch in Deutschland auf unterschiedlichste Weisen und wachsen in Patchwork-Konstellationen auf. Für manche schwule Paare trägt eine Freundin ein Kind aus, manche lesbische Paare nutzen Samenbanken in Dänemark, im Internet bieten Samenspender ihre Dienste an. Noch verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz die Leihmutterschaft, Schwangerschaft soll nicht kommerzialisiert, ein Embryo nicht zur Ware werden.

Motive? Alterssicherung, Prestige, Ehekitt, lebendige Kuscheltiere

Kinder dienen vielen Zwecken. Eines der ältesten Motive weltweit ist der Kindersegen als Alterssicherung der Älteren, der Eltern, und wo Sozialstaaten fehlen oder defizitär sind bleibt das Motiv stark. In modernen Gesellschaften können Kinder auch Prestigeobjekte darstellen, ihre Fotos und Videos werden präsentiert, sie werden wie Mini-Models eingekleidet. Mitunter sollen sie als Ehekitt dienen, als Leim um brüchige Partnerschaften zusammenzuhalten. Blitzableiter und Sündenböcke können aus ihnen gemacht werden, Objekte zum Befriedigen von Machtwünschen, oder lebendige Kuscheltiere von Erwachsenen.

Ganz gleich, wie sie zustanden kommen, aus welchen Motiven heraus, mit wie viel Liebe und in welchen Milieus – relevant scheint in jedem Fall ein frischer Blick auf Artikel 6 der Verfassung. Danach wird das elterliche Recht am Kind, das Erziehungsrecht, durch das „Wächteramt des Staates“ begrenzt. Bei Adoptionen nimmt der Staat das enorm genau. Mütter und Väter werden akribisch auf ihre Befähigung geprüft, ehe sie einen minderjährigen Menschen an Kindes Statt annehmen dürfen.

Warum, so lässt sich fragen, gilt solche Sorgfalt nicht überall? Warum bietet der Staat nicht zumindest einen „Elternführerschein“ an, Rat und Information über kindliche Bedürfnisse und Entwicklung – für alle, die ein Kind „ihr eigen“ nennen wollen?

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