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Politik: Fliegender Wechsel

Drei Tote und ein Geschäftsmann gegen 29 Islamisten – ein Protokoll des Geschehens auf dem Kölner Flughafen

Von Frank Jansen

Die deutschen Vermittler müssen zittern. Noch am Mittwochabend hieß es in Sicherheitskreisen, in letzter Minute könne sich der Gefangenenaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah verzögern. Und prompt kommt es am Donnerstag auch so. Gegen sieben Uhr landen auf dem Flughafen Köln-Wahn eine Bundeswehrmaschine und eine Boeing der israelischen Luftwaffe. In dem deutschen Flugzeug sind der in Beirut freigegebene Israeli Elhanan Tannenbaum und drei tote Soldaten. Die israelische Maschine hat aus Tel Aviv 29 Islamisten gebracht. Um elf Uhr sollten zwei Flugzeuge starten, um die Israelis nach Tel Aviv und die Kämpfer nach Beirut zu transportieren.

Doch gegen 12 Uhr hat noch keine Maschine den militärischen Teil des Flughafens verlassen. Die Nervosität steigt. Was ist los? Ein Sicherheitsexperte sagt, vier Kämpfer hätten politisches Asyl beantragt – darunter ein Kurde, der aus der syrischen Armee desertierte und sich vor zehn Jahren nach Israel abgesetzt hatte. Doch dann geht es weiter: Kurz nach 14 Uhr sind ein anderer Airbus – mit der Aufschrift „Bundesrepublik Deutschland“ – und die israelische Maschine in der Luft. Dass der Austausch noch scheitert, ist aber zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich. Denn eine der zentralen israelischen Bedingungen war schon am Vormittag erfüllt: Eine Delegation von Gerichtsmedizinern und Rabbinern identifzierte die sterblichen Überreste der drei israelischen Soldaten, die von der Hisbollah freigegeben worden sind. Milizionäre der schiitischen „Partei Gottes“ hatten Beni Avraham, Adi Avatan und Omar Suad im Jahr 2000 an der israelisch-libanesischen Grenze getötet. Die Delegation fand anhand von DNA-Proben und Gebissabdrücken offenbar schnell heraus, dass die Hisbollah die richtigen Toten geschickt hat. Donnerstagabend sollten die gefallenen Soldaten in Israel feierlich empfangen werden. Dem Geschäftsmann Tannenbaum hingegen wird diese Ehre nicht zuteil – er war im Jahr 2000 unter dubiosen Umständen in Libanon in die Hände der Hisbollah gefallen.

Jahrelang hatten der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, und weitere Experten aus Bundesnachrichtendienst und Auswärtigem Amt zwischen Israel, der Hisbollah und dem hinter der Miliz stehenden Iran verhandelt. Schließlich gelang die Einigung: Israel sagte die Freilassung von 435 inhaftierten Libanesen, Palästinensern, anderen Arabern sowie des deutschen Hisbollah-Anhängers Steven Smyrek zu. Smyrek war 1997 wegen Vorbereitung eines Selbstmordanschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Unter den Häftlingen befinden sich auch zwei Hisbollah-Anführer: Scheich Abdel Karim Obeid und Mustafa Dirani, 1989 und 1994 von israelischen Kommandos entführt, als eine Art Faustpfand für den 1986 über Libanon abgeschossenen Piloten Ron Arad. Dieser jedoch bleibt verschwunden. Für ihn würde Israel, wie Staatspräsident Mosche Katsav sagte, „jeden Preis“ zahlen.

Obeid, Dirani und Smyrek sitzen in der Boeing aus Tel Aviv. Smyrek will, bestätigten Sicherheitskreisen, zunächst für einige Zeit in Deutschland bleiben, um dann später nach Libanon auszureisen.

Die deutschen Vermittler wollten sich in Libanon und Israel zeigen – mit der gebotenen Zurückhaltung. Ernst Uhrlau flog nach Tel Aviv, der Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, nach Beirut. Beide hoffen, mit ihrer Hilfe werde dieser Gefangenenaustausch nicht der letzte sein.

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