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Der türkische Außenminister Davutoglu.

© dpa

Flotilla-Krise: Wie ein Krieg das Vertrauen der Türkei in Israel zerstörte

Im Dezember 2008 griffen die Israelis Gaza an und machte damit die türkischen Vermittlungsversuche zwischen Syrien und Israel zunichte. Die Türkei hat das bis heute nicht verziehen.

Es fehlte nur noch ein einziges Wort, ein einziges Telefongespräch. Ende Dezember 2008 standen die Erzfeinde Israel und Syrien nach Vermittlung durch die Türkei dicht vor einer historischen Verständigung. Eine gemeinsame Erklärung war bis auf ein einziges umstrittenes Wort fertig, ein Treffen von Vertretern der drei Länder in Istanbul wurde bereits geplant. Nach monatelangen Bemühungen hinter den Kulissen wähnten sich die Türken kurz vor dem Durchbruch. Ein Telefongespräch von Premier Recep Tayyip Erdogan mit seinem damaligen israelischen Amtskollegen Ehud Olmert sollte die Einigung bringen. Doch dann kam ein Krieg dazwischen.

„Das Telefonat war für 11 Uhr vereinbart,“ sagt der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, der damals als Erdogans Berater an den Bemühungen um eine Annäherung von Syrien und Israel mitarbeitete. „Um 10:30 Uhr griffen die Israelis in Gaza an. Innerhalb einer Stunde töteten sie 148 Menschen.“

Davutoglu berichtete kürzlich während eines Besuches der Grünen aus dem EU-Parlament in Istanbul von den Einzelheiten der damaligen Verhandlungen. Er antwortete damit auf einen Appell von Daniel Cohn-Bendit, die Türkei möge die diversen Krisen mit Israel hinter sich lassen und sich wieder auf ihre Mittlerrolle im Nahen Osten besinnen.

Mit seiner Schilderung gewährte Davutoglu nicht nur einen Einblick in die Abläufe einer gescheiterten Friedensinitiative, bei der es um die Zukunft der Golan-Höhen ging. Er machte auch deutlich, wie gründlich die Vertrauensbasis zwischen den langjährigen Partnern Türkei und Israel zerstört ist, erst recht seit dem Angriff israelischer Soldaten auf den Schiffskonvoi für Gaza im Mai. Die Türken haben das Gefühl, von den Israelis hintergangen worden zu sein – und dieser Vertrauensverlust ist inzwischen zu einem Bestandteil der viel kritisierten türkischen Nahost-Politik geworden.

Nur wenige Tage, bevor er seine Armee als Reaktion auf den ständigen Raketenbeschuss radikaler Islamisten nach Gaza schickte, war Olmert im Dezember 2008 in Ankara zu Gast. Sechs Stunden lang habe der israelische Premier damals mit Erdogan über die Einigung mit den Syrern gesprochen, sagte Davutoglu. Die Pläne für den Gaza-Angriff erwähnte er mit keinem Wort, wie beide Seiten später bestätigten.

Anderthalb Jahre später verwandelte sich die türkisch-israelische Verstimmung durch die israelische Kommandoaktion gegen den türkischen Schiffskonvoi für Gaza in eine tiefe Krise. Wie der türkische Journalist Gürkan Zengin in einem neuen Buch über Davutoglus Außenpolitik schreibt, drohte Davutoglu seiner US-Amtskollegn Hillary Clinton in Washington unmittelbar nach dem Tod von neun türkischen Aktivisten bei dem Angriff offen mit einem Abbruch aller Beziehungen zu Israel. „Clinton war sprachlos“, schreibt Zengin.

Der endgültige Bruch zwischen den beiden engsten Verbündeten der Amerikaner im Nahen Osten wurde zwar vermieden. Doch erholt haben sich die türkisch-israelischen Beziehungen bis heute nicht, und auch dabei spielt das verlorene Vertrauen eine wichtige Rolle.

Auf Bitten der Israelis habe er sich im Juli mit dem israelischen Minister Binyamin Ben-Eliezer getroffen, um über Wege aus der Flotilla-Krise zu reden, sagte Davutoglu jetzt. „Das war so etwas wie politischer Selbstmord“ für einen türkischen Regierungspolitiker in dieser Lage, betonte der Außenminister. „Und die Israelis ließen die Sache innerhalb von drei Stunden an ihre Presse durchsickern.“ Nationalisten hätten ihm daraufhin im türkischen Parlament die Hölle heiß gemacht, sagte Davutoglu.

Nach wie vor besteht die Türkei deshalb auf einer Entschuldigung Israels für den Flotilla-Angriff, was die Netanjahu-Regierung strikt ablehnt. Eine rasche Erholung der türkisch-israelischen Beziehungen ist nicht in Sicht. „Wir sind bereit, uns für den Nahost-Frieden zu engagieren“, betonte Davutoglu. „Aber wir werden die Sache mit der Flotilla nicht vergessen.“

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