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Politik: Fluch der Milizen

Libyscher Übergangsrat warnt vor Bürgerkrieg Aufständische geben ihre Waffen nicht ab.

Tripolis - Libyen könnte nach Einschätzung des Nationalen Übergangsrates (NTC) im Bürgerkrieg versinken, wenn die sich bekämpfenden Milizen nicht unter Kontrolle gebracht werden. Der Vorsitzende des NTC, Mustafa Abdel Dschalil, sagte am späten Dienstagabend in Bengasi, das Land stehe vor zwei bitteren Möglichkeiten: „Entweder wir gehen strikt gegen die Übergriffe vor und führen die Libyer in eine militärische Konfrontation, was wir nicht akzeptieren, oder wir spalten uns, und das heißt Bürgerkrieg.“ Dschalil reagierte damit auf Schießereien zwischen Milizen in einer Geschäftsstraße in der libyschen Hauptstadt Tripolis, bei der sechs Kämpfer getötet und 14 Menschen verletzt wurden.

Mehr als zwei Monate nachdem Aufständische den langjährigen Machthaber Muammar al Gaddafi getötet haben, bemüht sich der regierende Übergangsrat, der zudem demokratische Strukturen aufbauen will, seine Autorität auszuüben. Allerdings weigern sich rivalisierende Gruppen, ihre Waffen niederzulegen, und ihre Anführer wollen das Kommando nicht abgeben. „Wenn es keine Sicherheit gibt, wird es kein Gesetz, keine Entwicklung und keine Wahlen geben“, sagte Dschalil. „Die Menschen üben Selbstjustiz.“

Neun Monate lang haben die Rebellen, die aus Dutzenden Städten und vielen verschiedenen politischen Lagern zusammengezogen wurden, erbittert gegen Gaddafi gekämpft. Nun weigern sich die Milizen, sich wieder aufzulösen. Sie ringen miteinander um den größeren Einfluss im neuen Libyen. Und sie sind überzeugt, dass sie in der Hauptstadt eine bewaffnete Präsenz zeigen müssen, wenn sie ihren Anteil an der politischen Macht sichern wollen.

Der Übergangsrat hat damit begonnen, eine funktionstüchtige Armee und Polizei zu bilden, die für Sicherheit sorgen und die Kontrolle von den Milizen übernehmen sollen. Doch Dschalil räumte ein, dass der Übergangsrat dabei zu langsam vorankommt. „Wir haben keine Sicherheit, weil die Kämpfer ihre Waffen nicht abgegeben haben, obwohl sie von den örtlichen Räten dazu die Möglichkeit erhalten haben.“

Zu den Schießereien am Dienstag sagte der Vorsitzende des Sicherheitskomitees im Innenministerium, Oberst Mustafa Nuh, eine Gruppe von „Revolutionären“, die dem Militärrat der Übergangsregierung unterstünden, sei mit einer „Brigade von Revolutionären“ aus einer anderen Stadt aneinandergeraten, die ihren Stützpunkt im ehemaligen Gebäude des Militärgeheimdienstes habe. Mussa al Kuni, ein Mitglied des libyschen Übergangsrates, sagte Al Arabija, der Zwischenfall habe keinen politischen Hintergrund. Der Konflikt zwischen den sehr jungen Kämpfern aus der Stadt Misrata und aus Tripolis habe sich an einem nichtigen Vorfall entzündet. Laut Augenzeugen wollten die Milizionäre aus Misrata Kameraden befreien.

Das eigentliche Problem sei die Tatsache, dass die Waffen, die von den Rebellen im vergangenen Jahr für den Kampf gegen die Truppen des damaligen Machthabers Muammar al Gaddafi beschafft worden waren, bis heute nicht eingesammelt werden könnten. Für eine Entwaffnung aller „Revolutionäre“ sei es noch zu früh, weil es noch keine richtige Armee gebe und die Polizei überfordert sei, betonte al Kuni.

Am 24. Dezember hatten die Libyer erstmals seit über 40 Jahren den Tag ihrer Unabhängigkeit gefeiert. Die Unabhängigkeit Libyens, das früher unter italienischer Kolonialherrschaft stand, wurde Weihnachten 1951 proklamiert. Während der Herrschaft Gaddafis wurde die Unabhängigkeit nicht gefeiert, sondern der Umsturz vom 1. September 1969, bei dem er an die Macht gelangte. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Abdel Dschalil, hatte in seiner Rede den noch lebenden Mitgliedern des Gaddafi-Clans Umsturzpläne vorgeworfen. Sie seien entschlossen, das Land zu destabilisieren und „Ärger zu machen“, sagte Dschalil. rtr/dpa

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