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In aller Öffentlichkeit. Frankreichs Beigeordnete Ministerin für Senioren und Pflege, Michèle Delaunay, verfügt gemeinsam mit ihrem Mann über ein Vermögen von 5,4 Millionen Euro. Foto: Reuters

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Politik: Flucht nach vorn

Frankreichs Seniorenministerin Delaunay verfügt über Millionenvermögen – Hollandes Transparenz-Offensive bringt es an den Tag.

Berlin - Bis 17 Uhr sollten die Angehörigen des französischen Kabinetts am Montag im Internet unter der Adresse www.gouvernement.fr Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse geben. Doch so lange wollte Michèle Delaunay, die Beigeordnete Ministerin für Senioren und Pflege, nicht warten, Sie trat lieber die Flucht nach vorn an. Der Zeitung „Sud Ouest“ vertraute sie an, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann über ein Vermögen von 5,4 Millionen Euro verfügt. Damit erfährt die Öffentlichkeit im Zuge der von Präsident François Hollande verfügten Transparenz-Offensive, dass die ansonsten eher unauffällige Ministerin zu den vermögendsten Mitgliedern im Kabinett von Premierminister Jean-Marc Ayrault gehört.

3,1 Millionen Euro des Vermögens der Krebsspezialistin Michèle Delaunay und ihres Mannes, eines hohen Beamten der Europäischen Union, stammen aus dem Besitz von Immobilien. Das Paar besitzt zwei Häuser in Bordeaux, eines im benachbarten Arcachon und ein weiteres Haus im Badeort Hossegor nördlich von Biarritz. Nach den Worten der Ministerin geht das Vermögen auf Erbschaften und die langjährigen Berufseinkünfte des kinderlosen Paares zurück.

Wegen des Skandals um das Schwarzgeldkonto des ehemaligen Haushaltsministers Jérôme Cahuzac hatte Staatschef Hollande angekündigt, dass Minister und Parlamentarier künftig ihre Vermögensverhältnisse offenlegen müssten. Cahuzac hatte monatelang geleugnet, Schwarzgeld ins Ausland verschoben zu haben. Sogar vor dem französischen Parlament hatte er in einer feierlichen Erklärung versichert, dass er über kein Auslandskonto verfüge. Vor zwei Wochen hatte der ehemalige Vertraute Hollandes dann schließlich doch die Existenz eines Kontos in Singapur zugegeben, auf dem rund 600 000 Euro lagern.

Anders als im Fall Cahuzacs versteckt die 66-jährige Ministerin Delaunay aber kein Geld vor dem Fiskus. Ihre Immobilien sowie ihr anderweitig angelegtes Geld unterliegen der französischen Vermögensteuer ISF. Ihr politisches Mandat habe ihr „keinen einzigen Euro mehr“ im Vergleich zu ihrer früheren Tätigkeit eingebracht, sagte die ehemalige Klinikchefin, die seit 2007 den Wahlkreis Gironde II im Südwesten Frankreichs im Parlament in Paris vertritt. Sie habe niemals ein Luxusleben gelebt, verteidigte sich die Ministerin, sondern in erster Linie gearbeitet, „wie meine Eltern“. Die Ministerin ist die Tochter des 1998 verstorbenen Schriftstellers Gabriel Delaunay, der es als Bauernsohn bis zum Präfekten des Départements Gironde und der Region Aquitanien im Südwesten Frankreichs brachte.

Michèle Delaunay war 2007 als Unterstützerin von Hollandes früherer Lebensgefährtin Ségolène Royal in Erscheinung getreten, die vor sechs Jahren im Präsidentschaftsduell gegen Nicolas Sarkozy gescheitert war. Seinerzeit verfasste Delaunay den gesundheitspolitischen Teil des Präsidentschaftsprogramms von Ségolène Royal.

Schon bevor die Seniorenministerin die Öffentlichkeit über ihre Vermögensverhältnisse ins Bild setzte, hatten dies bereits mehrere Minister aus dem Kabinett von Ayrault sowie mehrere sozialistische und konservative Abgeordnete getan. Die Sozialministerin Marisol Touraine hatte ihr Immobilienvermögen beispielsweise mit 1,4 Millionen Euro angegeben. Staatspräsident François Hollande selbst hatte bereits bei seinem Amtsantritt erklärt, Immobilien im Wert von 1,17 Millionen Euro zu besitzen. Während sechs von zehn Franzosen die Transparenz-Offensive Hollandes unterstützen, gibt es auch kritische Töne. Die Zeitung „La Montagne“ merkte beispielsweise an, auch mithilfe von Hollandes neuer Vorschrift wäre man Cahuzac und seinen Schwarzgeld-Machenschaften nicht auf die Schliche gekommen.

Die Ministerin Delaunay wiederum begrüßt die Offenlegung der Vermögensverhältnisse im Grundsatz. Sie merkte allerdings an, dass ihre Veröffentlichung auch Wasser auf die Mühlen der konservativen Opposition leiten könne, die gerne über „Champagner-Sozialisten“ herzieht. Zudem befürchtet sie, künftig nur noch wegen ihres Vermögens beurteilt zu werden und nicht aufgrund ihrer Arbeit an der Spitze des Ministeriums für soziale Angelegenheiten und Gesundheit. Sie befürchte, dass sie sich künftig die Frage gefallen lassen müsse, wie sie sich als offenkundig gut betuchte Frau kompetent über das französische Mindesteinkommen RMI äußern könne. Albrecht Meier

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