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Gerettet und dann? Flüchtlinge auf der deutschen Fregatte Hessen.

© dpa

Flüchtlinge: Auch Italiens Caritas gegen Pläne von Berlin und Paris

Deutschland und Frankreich wehren sich gegen Brüsseler Verteilungspläne und schlagen stattdessen "Wartezentren" im Süden Europas vor. Der hält davon nicht viel. Die Fachfrau im EU-Parlament meint allerdings, dass sich in Europas Migrationspolitik langsam etwas bewege. 

Italiens Caritas hat sich entschieden gegen die neuen deutsch-französischen Pläne für Flüchtlingslager an den Rändern Europas gestellt. "Wir sind klar gegen diesen Vorschlag", sagte der Leiter des italienischen Caritas-Büros für Migrationsfragen, Oliviero Forti, dem Tagesspiegel. "Er ist weit entfernt von jener gemeinsamen Verantwortung, die Europas Migrationspolitik leiten müsste." Die beiden Innenminister Thomas des Maizière und Bernard Cazeneuve hatten beim Treffen mit den anderen Ministerkollegen der sechs größten EU-Länder auf der Moritzburg bei Dresden den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission zur Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedsstaaten kritisiert und erneut die Einrichtung von Auffangzentren gefordert. Im Unterschied zu früheren Vorschlägen sollen diese "Wartezentren" nach den Vorstellungen beider Minister in der Nähe der Ankunftsorte der Flüchtlinge entstehen - also an den Küsten von Mittelmeeranrainerstaaten wie Italien, wo jährlich Tausende Menschen auf der Insel Lampedusa landen.

Oliviero Forti
Oliviero Forti

© R/D

Europas Süden bleibt am meisten belastet

"Lager in den ersten Aufnahmeländern zu öffnen heißt, die Politik des innereuropäischen "Outsourcing" zu verstärken", kritisierte Forti. Nach den Dublin-Regeln der europäischen Migrationspolitik sind bereits jetzt die Länder für die Asylverfahren zuständig, wo Asylsuchende zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben. "Wir glauben, dass Dublin überwunden werden muss", sagte Forti. "So allerdings macht man nichts anderes, als das Prinzip zu erneuern, dass es die Länder des europäischen Südens sind, die die gesamte Last der Migrationsströme zu tragen haben."

Kritik am deutsch-französischen Vorschlag hatte auch die deutsche Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl geäußert und Berlin und Paris "kollektive Realitätsverweigerung" vorgeworfen. Pläne für Sammellager oder Auffangstationen hatte es auch in der Vergangenheit schon gegeben, bisher allerdings wurde meist an die Herkunfts- oder Transitländer der Migranten gedacht. Nach Meinung von Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkhardt reagieren die EU-Länder mit "immer neuen Konstrukten, die aber alle nicht funktionieren werden". Solange einzelne EU-Mitglieder weder Geld noch ein Dach über dem Kopf böten, würden Flüchtlinge dort auch nicht bleiben.

Berlin und Paris klagen über hohe Aufnahmequote

Die EU-Kommission in Brüssel beschloss Anfang dieser Woche einen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge, der die EU-Südgrenze, also vor allem Italien und Griechenland, entlasten soll. Für Deutschland ist an Anteil von 22 Prozent, für Frankreich 17 Prozent vorgesehen. Die Regierungen beider Länder halten sich dadurch für zu stark belastet.

Auch das Treffen der sechs EU-Innenminister auf der Moritzburg brachte dazu am Dienstag kein Ergebnis. De Maizière nannte die Verhandlungen schwierig. Der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, der an den G-6-Beratungen teilnahm, verteidigte den Kommissions-Vorschlag, zunächst 40.000 eritreische und syrische Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf andere europäische Länder zu verteilen. Er erklärte sich aber zu Verhandlungen über den vorgesehenen Verteilungsschlüssel bereit.

"Das Eis in der EU-Migrationspolitik ist gebrochen"

Während einer Anhörung der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament am Mittwoch äußerte die schwedische Liberale Cecilia Wikström, Berichterstatterin zum Dublin-System, massive Kritik an den Dublin-Regeln. Das System der Verteilung der Flüchtlinge sei "höchst ungerecht". So habe Litauen im vergangenen Jahr lediglich zehn Menschen Asyl gewährt. "Fünfzehn Staaten haben etwas getan, aber 13 Mitgliedsstaaten wuschen sich die Hände in Unschuld." Die EU, so Wikström, habe "eine Währungsunion hinbekommen, wir einigen uns übers Klima, aber wir sind immer noch keine Europäische Union in humanitären Fragen". Matthias Oel, Chef der Asyl-Einheit der Europäischen Kommission, gestand ein, dass "Dublin nicht funktioniert wie es sollte". Das liege aber nicht an den Regeln selbst, sondern an deren Anwendung. Auch er sei der Meinung, dass jene 40.000 Flüchtlinge, die die Kommission aktuell unterbringen wolle, keine große Zahl seien. "Es gibt aber andere, die das schon für viel halten." Er erinnere auch daran, dass Dublin nicht die Verteilung der Flüchtlinge regele, sondern die Verantwortung der Länder für ihre Asylverfahren.

Wikström äußerte sich für die Zukunft optimistisch. Nach mehreren europäischen Gerichtsurteilen in Sachen Migration habe nun auch die EU-Kommission einen Vorschlag auf den Tisch gelegt: "Das Eis ist gebrochen. Das Schlachtfeld ist jetzt der Rat", also die EU-Regierungen. Die Schlacht dort werde aber hart.

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