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Es knatscht. Vizekanzler Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel am Kabinettstisch.

© Stefanie Loos/Reuters

Flüchtlinge: Gabriel wirft Union Blockadehaltung bei Integration vor

Nach Einschätzung des SPD-Vorsitzenden haben CDU und CSU die Herausforderung bei der Integration der Flüchtlinge unterschätzt. BAMF-Chef Weise rechnet mit hohen Kosten für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ist in der Flüchtlingspolitik erneut auf Distanz zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegangen. "Die Union hat die Herausforderung unterschätzt", sagte der Vizekanzler im ZDF-Sommerinterview. "Wir haben immer gesagt, es ist undenkbar, dass Deutschland jedes Jahr eine Million Menschen aufnimmt." Es reiche nicht, ständig zu sagen "Wir schaffen das", betonte Gabriel. "Sondern Sie müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch hinkriegen. Und das hat die CDU/CSU immer blockiert."

Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, rechnet mit deutlich weniger Asylsuchenden als 2015. "Wir stellen uns auf 250.000 bis 300.000 Flüchtlinge in diesem Jahr ein, darauf richten wir unsere Kapazitäten aus", sagte er der "Bild am Sonntag". Bis zu dieser Zahl könne seine Behörde einen optimalen Ablauf garantieren. "Wenn mehr Menschen kommen, kommen wir unter Druck." Allerdings seien selbst dann nicht wieder Zustände wie im letzten Jahr zu erwarten. "Aber die Verfahren würden länger dauern, als von uns angestrebt."

Weise erwartet hohe Kosten für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. "Es wird lange dauern und viel kosten", sagte er. 70 Prozent derer, die seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr nach Deutschland gekommen sind, seien zwar erwerbsfähig, doch werde "ein Großteil von ihnen zunächst in die Grundsicherung fallen, bevor wir sie in Arbeit bringen".

Der Anteil der Akademiker unter den Flüchtlingen und Migranten liege seiner Schätzung nach bei etwa zehn Prozent, sagte Weise. Rund 40 Prozent hätten Arbeitserfahrung, wenn auch keine Berufsausbildung. Da auch Hilfstätigkeiten besser seien als keine Arbeit, setze das BAMF trotz der oft geringen Qualifikation "alles dran, die Menschen möglichst schnell in die Jobcenter zu bringen", sagte Weise.

"Brauchen Flüchtlinge nicht zur Deckung des Fachkräftebedarfs"

Der BAMF-Leiter äußerte in dem Interview Verständnis für Sorgen in der Bevölkerung. "Natürlich ist die Situation für viele belastend. Niemand hat sich gewünscht, dass Menschen zu uns flüchten müssen", sagte Weise der "Bild am Sonntag". "Wir brauchen diese Menschen auch nicht zur Deckung unseres Fachkräftebedarfs. Trotzdem war die Entscheidung richtig, in einer humanitären Notlage zu helfen."

Trotz aller Schwierigkeiten ist Weise optimistisch, die Aufgabe erfolgreich zu bewältigen: "Wir schaffen das. Vieles, was am Anfang schlecht lief, können wir inzwischen ziemlich gut. Und die Konjunktur in Deutschland ist Gott sei Dank so gut, dass wir uns das leisten können." Auch seien im vergangenen Jahr weniger Menschen gekommen als gedacht, da einige doppelt registriert worden seien und andere weitergereist seien. (dpa, AFP)

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