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In Rosenheim kommen derzeit nur ganz wenige Flüchtlinge an. Das sah im Sommer noch anders aus.

© Nicolas Armer/dpa

Flüchtlinge in Bayern: Rosenheim bleibt leer

Im bayerischen Aufnahmezentrum kommen derzeit kaum Flüchtlinge an, weil auf der Balkanroute die Grenzen geschlossen sind.

„Vier Tage lang herrschte eine Nulllage“, sagt Jano Siepel, Sprecher der Bundespolizei Rosenheim. So nennt die Behörde das, wenn die Aufnahmezentren im Süden und Osten des Freistaates Bayern leer sind – in Freilassing, Passau und Rosenheim; wenn sich niemand auf den vielen Liegepritschen ausruht und die Sandwiches und Getränke unangerührt bleiben. „Ein paar solcher Tage sind gut für uns“, meint Siepel, „da kommt man mal zum Durchatmen.“

Aus dem Zug, der um 16.27 Uhr am Bahnhof Rosenheim hält, steigen auch am Sonnabend nur einzelne Flüchtlinge, begleitet von der Bundespolizei: 49 Menschen – Familien, Frauen, Kinder, allein reisende junge Männer – kommen aus dem österreichischen Kufstein.

Die bayerische Infrastruktur für Flüchtlinge bleibt bereitstehen, denn die Lage kann sich schnell wieder ändern. Derzeit kommen Schutzsuchende auf ihrem Weg durch verschiedene Staaten kaum voran – sie stoßen auf geschlossene Grenzzäune und Polizisten, die sich ihnen in den Weg stellen. In Rosenheim merkt man das: Immer wieder werden von Österreich Gruppen angekündigt, die dann doch nicht kommen. Vereinbart ist, dass das Nachbarland maximal 50 Flüchtlinge pro Stunde auf den Weg schickt, so viele können in Rosenheim erfasst und weitergeleitet werden, ohne dass es zu Staus kommt.

80 Prozent besitzen keine Ausweispapiere

Ein Bus bringt die 49 Flüchtlinge vom Bahnhof in eine umfunktionierte Sporthalle auf einem großen Areal der Bundespolizei. Rosenheim ist für sie noch nicht Deutschland. Rosenheim ist sozusagen ein 35 Kilometer ins Landesinnere verlegtes Transitgebiet, in dem die Polizisten als Grenzbeamte das Sagen haben.

Die Flüchtlinge werden hier kurz medizinisch untersucht, gegebenenfalls behandelt oder bei schwereren Erkrankungen in die Klinik gebracht. Es folgt die erste Aufnahme von Personalien. Dafür sitzen zwei Übersetzerinnen an kleinen Tischen in der Halle. Name, Nationalität, Herkunftsort werden protokolliert. 80 Prozent der Asylbewerber besitzen keine Ausweispapiere. Sie werden über die Fluchtroute befragt, wie die Schleuser im Ausland hießen, wie viel Geld sie bezahlt haben. Es folgt die Durchsuchung nach Waffen, gefährlichen Gegenständen – und ob es doch Personalausweise gibt.

Die ziemlich leere Halle ist mit Polizeigittern in verschiedene Zonen aufgeteilt. Vor einer steht das Schild „durchsucht“, dahinter sitzt ein junger dunkelhäutiger Mann namens Hussein Issaek. Mit einem Freund hat er am 8. Dezember 2015 seine Flucht begonnen, jetzt ist er am Ziel. Er stammt aus Äthiopien. Wo ist seine Familie? „Ich weiß es nicht“, sagt er. 17 Jahre ist er alt. Das sagen hier viele. Mit 17 ist man noch minderjährig. Als Nächstes werden Fotos gemacht und Fingerabdrücke genommen.

Die nicht abgewiesenen Flüchtlinge werden schnell zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebracht – die meisten nach Erding in die riesigen für 5000 Menschen umgebauten Hallen des Fliegerhorstes, die jetzt „Warteraum“ genannt werden. Von dort werden sie weiter auf ganz Deutschland verteilt. Einige tauchen unterwegs ab, verschwinden – und melden sich vielleicht an anderen Orten wieder an. Von der Polizei werden sie nicht mehr bewacht.

Viele kommen auch illegal über die grüne Grenze

Doch nicht alle Flüchtlinge kommen überhaupt zum Bamf – und sind damit wirklich in Deutschland angekommen: „Im Januar wurde 4500 Menschen die Einreise verweigert“, sagt Siepel. Das sind zehn Prozent der Flüchtlinge. Sie werden dann für eine Nacht in Gewahrsam genommen und nach Österreich zurückgebracht. Das gilt auch für Flüchtlinge, die nur durch Deutschland durchreisen wollen, etwa nach Schweden, um dort Asyl zu beantragen. Oder die schon einmal eingereist waren und abgewiesen wurden.

Nicht alle Flüchtlinge reisen auf diese geordnete Weise ein wie in Rosenheim. Es gibt weiter Schleuser, die Menschen in die Bundesrepublik bringen – über die grüne Grenze oder auch über die Grenzübergänge, in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Warum wählen manche Flüchtlinge die Illegalität, wenn sie doch auch so empfangen werden? Jano Siepel hebt die Hände hoch und sagt: „Ich weiß es nicht.“ Tag für Tag fasst die Bundespolizei ein bis drei Schleuser. 78 österreichisch-bayerische Grenzübergänge sind auf einer Liste verzeichnet, viele davon sind winzig. „Wir kontrollieren auch dort immer wieder“, betont Siepel. Rund um die Uhr wird aber nur an den drei großen Autobahnen kontrolliert.

Dass der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Landespolizei mit 2200 Kräften darauf vorbereiten will, nun doch die gesamte Grenze zu bewachen, ist in der Kaffee- und Rauchpause einiger Bundespolizisten kurz Thema: „Da sage ich jetzt einfach mal gar nichts dazu“, meint ein Polizist – in eindeutigem Tonfall: Von ihm fühlen sich die Bundespolizisten mächtig auf den Schlips getreten.

Auf der anderen Seite der Grenze steigt allerdings die Nervosität, dass Deutschland bald doch auch selbst volle Grenzkontrollen und massive Abweisungen beginnen könnte. Dass die bayerischen Grenzer immer wieder die Autobahn- Hauptrouten am Walserberg bei Salzburg und bei Passau mit der Verengung auf eine per Sicht kontrollierte Spur einschränken und damit Staus erzeugen, hält man in Österreich dagegen nur für eine gefällige Bildproduktion zur Illustration von Sorgen und Handlungsbereitschaft in der CSU. (mit Reinhard Frauscher)

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