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Abschiebehaft für Flüchtlinge im oberbayerischen Eichstätt.

© HRSchulz/Imago

Update

Flüchtlinge in Bayern: Schwangere Palästinenserin vor Abschiebung – Sohn musste ins Heim

Eine schwangere Palästinenserin sitzt in Abschiebehaft. Ihr Sohn musste ins Kinderheim. Flüchtlingshelfer protestieren gegen Bayerns "brutale" Behörden.

Von Matthias Meisner

Es sieht nicht nach einer humanitären Lösung aus: Eine 30 Jahre alte schwangere Palästinenserin ist vergangene Woche in Passau festgenommen worden. Sie sitzt nun im Abschiebegefängnis Eichstätt. Ihr Sohn im Vorschulalter blieb allein in Passau zurück. Er wurde, wie die "Passauer Neue Presse" und der "Donaukurier" übereinstimmend berichten, ohne seine Eltern in einem Waisenhaus untergebracht. Immerhin seinen alten Kindergarten darf er weiter besuchen. Der Vater ist untergetaucht. Die Familie soll - ein Termin ist nicht klar - nach Lettland abgeschoben werden.

Der bayerische Flüchtlingsrat ist empört: "Der Fall zeigt exemplarisch die Unsinnigkeit europäischer Zuständigkeitsregelungen, die es erlaubt, Flüchtlinge gegen ihren Willen quer durch Europa zu schubsen", sagte dessen Vertreter Stephan Dünnwald dem Tagesspiegel. Exemplarisch stehe der Fall aber auch für die "Rücksichtslosigkeit der niederbayerischen Behörden, solche Regelungen ungeachtet der guten Integration der Familie rabiat durchzusetzen". Schutz der Familie oder Kindeswohl seien offenkundig Fremdworte für die Ausländerbehörde.

Vor rund drei Jahren war die Palästinenserin aus Syrien geflohen. In Passau lebte sie mit ihrem Mann und dem Sohn in einem Asylbewerberheim. "Die kleine Familie hatte sich gut eingelebt in ihrer neuen Heimat", heißt es im "Donaukurier". Dennoch soll die Familie nach Lettland abgeschoben werden - ihr war von dem baltischen Land bereits Asyl zugesichert worden, bevor sie nach Deutschland weiterreiste.

Inzwischen mehren sich die Versuche, politisch zu intervenieren und das bayerische Innenministerium aufzufordern, von der Abschiebung abzusehen. "Quasi täglich ein neuer Fall brutaler Abschiebepraxis", kommentiert Pro Asyl auf Facebook.

Demonstration und Petition

Ein Bündnis in Passau plant für kommenden Mittwoch eine Demonstration. "Wir appellieren in diesem besonderen Einzelfall, Gnade vor geltendem Asylrecht walten zu lassen und eine Entscheidung auf der Grundlage christlicher und humanitärer Werte zu treffen", heißt es im Aufruf. Die Entscheidung, die "integrationswillige, weltoffene und gebildete" Familie abzuschieben, sei unverhältnismäßig, die Palästinenserin in einem psychisch labilen Zustand. Außerdem habe ihr Mann bereits eine Zusage auf eine Festanstellung in Passau bekommen, der sechsjährige Sohn spreche fließend Deutsch und sei im Kindergarten gut integriert. "Eine Abschiebung würde sowohl für das Kind als auch für Mutter und Vater eine weitere traumatisierende Erfahrung bedeuten", heißt es weiter.

Mit diesen Argumenten wurde vom Passauer Asyl-Café auf Change.org eine Petition gestartet. Adressaten sind die Regierung von Niederbayern und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Wolfgang Bittlmayer vom Eichstätter Aktionsbündnis gegen Abschiebehaft erklärte, die Durchsetzung eines Verwaltungsaktes werde von den Ausländerbehörden höhergestellt als Grundrechte und Menschenrechtskonventionen.

Grüne: "Da blutet einem das Herz"

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte dem Tagesspiegel: "Da blutet einem das Herz! Es ist beschämend, dass die CSU-Freie-Wähler-Staatsregierung Familien auseinander reißt und ein Kind, das bereits eine traumatisierende Flucht hinter sich hat, von der Mutter trennt."

Abschiebungen von Schwangeren und Trennung von Familien im Rahmen von Abschiebungen würden von den Grünen abgelehnt, betont die Innenpolitikerin. "Das Recht der Familieneinheit, welches immerhin im Grundgesetz verankert ist, sollte auch für Flüchtlinge und Schutzsuchende gelten!"

Gefängnis sieht sich für Aufnahme von Kindern nicht zuständig

Juristisch bestehe in der Sache wenig Aussicht, heißt es von Flüchtlingshelfern. Das Gefängnis in Eichstätt sieht sich für die Aufnahme von Kindern weder zuständig noch eingerichtet. Der "Donaukurier" zitierte einen Sprecher des bayerischen Innenministeriums mit den Worten, dass in den Fällen, in denen Familien von Abschiebehaft betroffen seien, grundsätzlich ein Elternteil zur Betreuung der Kinder auf freiem Fuß bleibe. "Dennoch kann es in seltenen Ausnahmefällen vorkommen, dass eine vorübergehende Trennung der Kinder von den Eltern nicht vermieden werden kann."

Die Familie soll zusammengeführt werden – am Flughafen

Die für den Fall zuständige Zentrale Ausländerbehörde Niederbayern weist der Familie selbst die Schuld an der Lage zu: Da Eltern und Kind bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland im EU-Mitgliedsstaat Lettland Schutz zugesichert worden sei, habe die Ausländerbehörde die gesetzliche Aufgabe, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Und: "Die Verantwortung für die vorübergehende Trennung von Eltern und Kind liegt ausschließlich bei den Eltern." Wenn sie sich nicht der Ausreise widersetzt hätten und der Vater nicht untergetaucht wäre, wäre es gar nicht zur Trennung gekommen.

"Es ist das politische Ziel der EU-Kommission und der Bundesregierung, zu einer angemessenen Verteilung von Flüchtlingen in der EU zu kommen. Dieses Ziel wird völlig konterkariert, wenn ein Schutzstatus im EU-Land Lettland nicht angenommen wird", heißt es weiter. Zudem sollten Mutter und Kind "so bald wie möglich" wieder zusammengeführt werden, versichert die Ausländerbehörde - am Flughafen, zur Abreise nach Lettland.

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