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Migranten aus Syrien, dem Irak und Afghanistan an der Grenze zwischen Mazedonien und Serbien.

© dpa

Flüchtlinge in der EU: Außengrenzen sichern - aber keiner sagt wie

Die Sicherung der EU-Außengrenze wird mit dem Bau der Berliner Mauer verglichen. Aber ein Zaun muss nicht komplette Abschottung bedeuten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Am 6. Oktober 2015 forderte EU-Ratspräsident Donald Tusk eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen: „Ein Europa ohne Außengrenzen wird zu einem Nährboden der Angst.“

Thomas Oppermann, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte am 23. Januar in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“: „Jedenfalls dürfen die Außengrenzen nicht wie die Binnengrenzen frei passierbar sein.“

Am 10. Februar meinte Ursula von der Leyen in der „Zeit“, verstärkte Grenzsperren wie zwischen Mazedonien und Griechenland allein könnten die Probleme nicht lösen. Wichtig sei stattdessen „die Sicherung der europäischen Außengrenzen“.

Und auch die Kanzlerin selbst sagt: „Wir müssen unsere Außengrenze schützen, weil wir Schengen erhalten wollen.“ Dies teilte Angela Merkel in ihrem Videopodcast vom 6. Februar mit.

Es wird verunklart, was unter Grenzsicherung zu verstehen ist

Wenn es also eine Äußerung gibt, die in der Flüchtlingskrise zum Allgemeinplatz wurde, dann ist es die von der Sicherung der EU-Außengrenzen. Für sich genommen löst sie keine Empörung aus. Anders der Verweis auf einen bewaffneten Grenzschutz. Der wird von vielen als Ausweis an Inhumanität verstanden. Bewaffnet aber waren auch jene Bundespolizisten, die bis vor ein paar Jahren zum Beispiel an der deutsch- schweizerischen Grenze noch kontrollierten. Bewaffnung allein heißt nicht, dass auf Flüchtlinge geschossen werden darf. Ein wie auch immer gearteter „Schießbefehl“ ist damit nicht verbunden, darf es auch nicht sein.

Die Diskussion um hypothetische Tötungen an der Grenze, um den angeblichen Bau neuer Berliner Mauern aber verunklart, was unter Grenzsicherung wirklich zu verstehen ist. Niemand, auch Merkel nicht, will sagen, wie diese aussehen soll – sofern die Aufgabe sich nicht auf die Türkei abschieben lässt, was im Moment eher zweifelhaft ist. Ein Zaun, wie er an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien errichtet wurde, soll es offenbar nicht sein. Im Herbst hatte Merkel gesagt: „Ich glaube nicht, dass Zäune helfen.“

Der ungarische Zaun wird mit kompletter Abschottung verbunden. Sich aus der Verantwortung für das Leid der Geflüchteten zu ziehen, wie Premier Viktor Orban es tut, ist tatsächlich keine Lösung. Zu einfach aber wäre es, eine bessere Sicherung der Grenzen stets mit völliger Abriegelung gleichzusetzen. Es ist die moralische Aufladung der Grenzfrage, die eine humane Flüchtlingspolitik auf Dauer sogar schwieriger machen könnte. Denn wie Tusk ja sagt: Das Gefühl, keine gesicherten Außengrenzen zu haben, löst im Inneren der EU mehr Angst als Zuversicht aus. Wurde bei der Abschaffung der innereuropäischen Grenzkontrollen doch auch etwas völlig anderes versprochen.

Vielleicht hilft es, Migration als längerfristiges, auch vielschichtiges Phänomen zu sehen. Merkel selbst scheint das überraschenderweise nur begrenzt zu tun. In diese Richtung jedenfalls deutet ihre an syrische Flüchtlinge geäußerte Erwartung, nach Kriegsende wieder dorthin zurückzukehren. Zwar klingt das naheliegend. Es macht das „Wir schaffen das“ aber nur noch mehr zum Rätsel. Weil niemand weiß, wie lange der Krieg in Syrien dauern wird, muss zunächst einmal von einem dauerhaften Aufenthalt ausgegangen werden – mangelnde Integration rächt sich sonst in ein paar Jahren.

Unverständlich, warum es nicht längst ein Einwanderungsgesetz gibt

Soll Deutschland auch in Zukunft für Flüchtlinge wie Einwanderer offen sein, dann kann dies nur auf geordnetem Wege passieren. Unverständlich ist deshalb, warum Merkel nicht längst ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht hat – und warum sie die Möglichkeiten für Kriegsflüchtlinge, legal nach Deutschland zu kommen, zur Not auch ohne europäische Quote, nicht ausbaut. Entsprechende Umsiedlungsprogramme des UN-Flüchtlingshilfswerks gibt es längst – nur dass auch Deutschland viel zu wenige Plätze anbietet.

Viele der Probleme, die Deutschland mit der Flüchtlingskrise hat, resultieren daraus, dass die Menschen erst einmal hierherkommen müssen, um Schutz beantragen zu können. Am Ende ist die Sicherung der Grenzen vermutlich vor allem auch eine Frage der Signale, die von der deutschen Politik vermittelt werden: Verspricht ein schnelles Umsiedlungsverfahren in der Türkei mehr Erfolg, als womöglich wochenlang an einer geschlossenen Grenze der Balkanroute festzusitzen, dann werden die Überfahrten nach Griechenland schon von alleine etwas zurückgehen. Die Menschen erst über das Mittelmeer und dann über tausende Kilometer durch Europa hierherkommen zu lassen – auch das ist nicht human.

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