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Kinder auf der Flucht: Schutzlos gegen Willkür und Gewalt.

© HERBERT P. OCZERET/dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Das Schicksal der Kinder darf uns nicht kalt lassen!

Flüchtlingskinder brauchen unsere Unterstützung. Ein Gastbeitrag von Susanna Krüger und Bidjan Nashat von der Kinderrechtsorganisation "Save the Children".

Nach den schrecklichen Ereignissen in Würzburg, Reutlingen und Ansbach scheint es, als hätten Amok und Terror nun mit einiger Verspätung Deutschland erreicht. Dass alle drei Verbrechen anscheinend von psychisch kranken Menschen begangen wurden, hilft kaum noch gegen die aufkommende Angst vor den Geflüchteten, die letztes Jahr in so großer Zahl zu uns kamen.

Entsprechend wird sich die Stimmung gegen sie wahrscheinlich weiter aufheizen, die Hilfsbereitschaft ihnen gegenüber dafür abnehmen. Und diejenigen, die seit Jahren geistige und tatsächliche Anschläge gegen Unterkünfte und ihre Bewohner verüben, werden sich so bestätigt fühlen wie diejenigen, die das schweigend toleriert haben.

Ja, es gibt unter den eine Million geflüchteten Menschen in Deutschland psychisch Kranke, ideologisch verirrte und Kriminelle – genauso wie unter der Gesamtbevölkerung. Und ja, terroristische Gruppen sprechen junge Männer und selbst Kinder in Deutschland gezielt an, um sie zu radikalisieren und für ihre perversen Zwecke zu missbrauchen.

Und doch müssen wir gerade jetzt gemeinsam sichtbar dem Klima der Angst entgegentreten. Wir dürfen den Mut nicht verlieren, mit dem wir die schutzsuchenden Menschen bei uns willkommen geheißen haben. Weil wir von Save the Children aus unseren täglichen Begegnungen mit unzähligen Flüchtlingen wissen, dass die meisten von ihnen derartigen Taten mit demselben Entsetzen begegnen wie wir das tun.

Sie kennen die Angst, die uns jetzt beschleicht, nur zu gut: Sie sind geflohen vor der Angst vor Krieg, vor Terror, vor Verfolgung – und vor Anschlägen. Wer von uns würde das nicht tun wollen, wenn fast täglich vor unserer Haustür Menschen durch Bomben in Stücke gerissen werden?

Kinder leiden immer am stärksten

Heute fürchten die Geflüchteten, in denselben Topf geworfen zu werden wie die Schergen einer verbrämten islamistischen Ideologie. Doch eine aufgeklärte, zivilisierte Gesellschaft ist in der Lage, zu differenzieren. Mehr noch: es ist ihre Aufgabe.

Nicht zuletzt haben die Errungenschaft der aufgeklärten Gesellschaft und die Ideale des Humanismus dazu geführt, dass wir uns rechtlich dazu verpflichtet haben, schutzsuchenden Menschen Asyl zu gewähren. Aus guten historischen Gründen und weil es richtig ist.

Als Kämpfer für Kinderrechte wissen wir, dass diejenigen, die am schnellsten und stärksten unter Pauschalierung, Ausgrenzung und Fremdenangst leiden, immer die Kinder sind. Aber es kann nicht nur uns Mitarbeiter einer Kinderrechtsorganisation, sondern darf uns auch als Gesellschaft nicht kalt lassen, dass in Deutschland eine halbe Millionen geflüchtete Kinder sind, die unseren Beistand brauchen.

Wenn die Sorge um und die Unterstützung für sie jetzt nachlässt, wird das verheerende Folgen für diese Kinder haben. Und es wird das Potenzial, das sie mit sich bringen in der Bereitschaft, es in unsere Gesellschaft einzubringen, im Keim ersticken.

Deshalb müssen wir gerade jetzt alles dafür tun, ihnen den Weg in unsere Gesellschaft zu ebnen, unabhängig davon, ob sie bei uns bleiben oder bald wieder gehen und unsere Werte, die sie bei uns gelebt haben, mit nach Hause nehmen.

Wenn wir sie zu unseren Verbündeten machen möchten, dann müssen wir sie noch viel besser schützen. Seit Monaten und zum Teil Jahren sitzen Kinder und ihre Familien in Unterkünften in Deutschland inmitten von wildfremden Menschen aus aller Herren Länder.

Schutz und Bildung gegen ideologische Verführung

Viele Kinder haben wenig bis gar keine Rückzugsmöglichkeiten und sind nicht ausreichend vor Missbrauch und Gewalt geschützt. Sie sehen ihre Eltern zu verunsicherten, passiven Hilfsempfängern degradiert. Wer von uns möchte in so einer riskanten Situation auf engstem Raum zusammenleben – obwohl es nur eine kleine Minderheit gibt, von der Gefahr ausgeht?

Anstelle dessen braucht es geschultes Personal, das sich ihnen widmet, mit ihnen spielt und ihnen qualifizierte psychologische Erstversorgung anbieten kann.

Wer wie wir erlebt hat, wie sich Kinder nach nur einigen Monaten geregeltem Tagesablauf und pädagogischer Betreuung in unserem Schutz- und Spielraum in der Notunterkunft Berlin-Tempelhof entwickelt haben, wie brennend sie sich auf die Schule freuen und wie schnell sie Deutsch gelernt haben, der weiß, dass zuallererst Schutz und dann Bildungschancen der Schlüssel für eine gute Entwicklung sind.

Wir dürfen die Fähigkeiten dieser Kinder nicht einer Mischung aus Langeweile und dann irgendwann vielleicht auch Verzweiflung zum Opfer fallen lassen. Eglantyne Jebb, die Gründerin unserer Organisation sagte: „Jede Generation von Kindern bietet der Menschheit die Möglichkeit an, die Ruinen ihrer Welt wieder aufzubauen.“ Schutz und Bildungsmöglichkeiten sind auch das einzige Mittel, um ideologischen Verführungen von vornherein zu begegnen.

Save the Children leistet weltweit humanitäre Hilfe und kämpft für die Rechte von Kindern und deren Familien. In Deutschland und in 120 Ländern auf der ganzen Welt, seit fast 100 Jahren. Wir werden uns auch in einem schärferen politischen Klima in Deutschland kompromisslos für ihren legalen und sicheren Zugang zu humanitärem Asyl in Europa, ihrem Schutz vor Gewalt und für ihre Bildungschancen einsetzen. Jetzt erst recht.

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