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Ein Bundespolizist kontrolliert an der deutsch-österreichischen Grenze im bayerischen Simbach am Inn Fahrzeuge.

© dpa

Flüchtlinge in Deutschland: GdP-Vizechef Radek warnt vor Rückkehr zum Schlagbaum

In der Flüchtlingskrise gilt für manche die Einführung fester Grenzkontrollen als Patentrezept. Doch GdP-Vizechef Jörg Radek ist strikt dagegen.

Die Abfertigungshäuschen am Übergang Ellund an der deutsch-dänischen Grenze gibt es nicht mehr. Und auch in Pomellen an der deutsch-polnischen Grenze fließt der Verkehr ohne Passkontrollen über die Autobahn. Deutschland, Dänemark und Polen gehören zum Schengen-Raum, deshalb gibt es an den früheren Kontrollpunkten keine stationäre Präsenz der Polizei mehr. Innerhalb des Schengen-Raums sind die Schlagbäume abgeschafft, und dabei soll es nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch bleiben. „Ich finde, dass das Schengen-System eine wichtige Säule der EU ist“, sagte die Kanzlerin noch am Sonntag.

Seit Pariser Anschlägen auch Kontrollen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz

Allerdings ist auch klar, dass das Schengen-System durch die Flüchtlingskrise und nach den Anschlägen von Paris auf den Prüfstand geraten ist. In einem Europa, in dem Kontrollen eigentlich der Vergangenheit angehören sollen, ist in den vergangenen Wochen der freie Grenzverkehr immer mehr eingeschränkt worden. Seit Mitte September hat Deutschland die Kontrollen an der Grenze zu Österreich verstärkt. Diese vorübergehende Maßnahme, bei der die Bundesregierung auf eine Ausnahmeregelung im Schengen-System zurückgreift, soll zunächst einmal bis Ende Februar gelten. Nach den Anschlägen von Paris kontrolliert die Bundespolizei zudem schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz an der Grenze zu Frankreich. Wegen der Flüchtlingskrise haben zudem zwei Schengen-Staaten – Ungarn und Slowenien – ihre Außengrenzen gegenüber Nicht-Schengen-Staaten wie Kroatien zusätzlich gesichert. Darüber hinaus lässt auch Mazedonien nur noch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak passieren.
Dennoch ist nicht absehbar, wie lange es bei den hohen Zahlen der Flüchtlinge bleibt, die vor allem nach Deutschland wollen. Deshalb war schon im Oktober vor allem aus der CSU der Ruf laut geworden, dass Deutschland die Grenzen für Flüchtlinge schießen und die EU-Partner angesichts des zu erwartenden Domino-Effekts entlang der Balkanroute zum Handeln im Sinne einer gesamteuropäischen Lösung zwingen solle. Damals forderte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich, eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen. Wenn aber die Länder an Europas Außengrenzen dazu nicht in der Lage seien, „dann wird man wieder zurückkommen auf die Vor-Schengen-Zeit“, fügte der CSU-Politiker hinzu.

Bei der Bundespolizei hält man feste Kontrollen grundsätzlich für "machbar"

Ist aber eine Rückkehr in die Vor-Schengen-Zeit praktisch überhaupt möglich? „Es wäre machbar“, antwortet auf diese Frage ein Sprecher der Bundespolizei und fügt hinzu, dass die Grenzsicherung schließlich Aufgabe der Bundespolizei sei. Voraussetzung für eine Rückkehr zu stationären Grenzkontrollen sei allerdings unter anderem die Errichtung entsprechender Gebäude und die Bereitstellung leistungsfähiger Datenleitungen. Zudem wäre eine Wiedereinführung fester Grenzkontrollen mit einem zusätzlichen Personalaufwand verbunden. Die Einschränkung kommt nicht von ungefähr: Eine Rückkehr in die Vor-Schengen-Zeit wäre für die Bundespolizei und ihre rund 40 000 Beamten nicht aus dem Stegreif zu bewältigen. Seit in Deutschland das Schengen-Abkommen 1995 in Kraft trat, sind zahlreiche frühere Abfertigungsstellen dem Erdboden gleichgemacht worden. Dies geschah zunächst an der Grenze zu Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Später traten unter den übrigen Nachbarstaaten Deutschlands auch die neuen EU-Mitglieder im Osten dem Schengen-Abkommen bei. Die Kontrollen zu Tschechien entfielen beispielsweise 2007 – unter anderem mit der Folge, dass das ehemalige Kontrollgebäude bei Waidhaus in diesem Jahr abgerissen wurde.

GdP-Vizechef Radek warnt vor hohen Investitionskosten

Daher ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, der Auffassung, dass eine Rückkehr in die Vor-Schengen-Zeit auf mittlere Sicht „hohe Investitionskosten“ zur Folge hätte. Es dürfe „auf keinen Fall ein Zurück zum Schlagbaum“ geben, sagte Radek dem Tagesspiegel. Dies bedeute allerdings nicht, dass eine offene Grenze ohne Kontrollen auskomme. Seit der Einführung des Schengen-Systems ist die Bundespolizei auf Stichproben in einem 30-Kilometer-Streifen hinter der Grenze übergegangen. Kritiker der Idee einer Wiedereinführung fester Grenzkontrollen wenden zudem ein, dass man schon einen Zaun um ganz Deutschland herum errichten müsse, um illegale Grenzübertritte zu verhindern. So erklärte jüngst der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, gegen den Frankreich in der Vor-Schengen-Zeit ein jahrelanges Einreiseverbot verhängt hatte, er sei immer über die Grenze gekommen.

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