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Abwarten. Manchmal braucht ein Asylantrag mehrere Jahre: Männer in einem Flüchtlingslager in Athen.

© dpa

Flüchtlinge in Griechenland: Drehtür ohne Ausgang

Die Bilder aus Lampedusa schockierten die Welt. Doch auch in anderen EU-Grenzländern herrschen ähnliche Zustände – besonders viele Flüchtlinge landen in Griechenland. Wie geht das Land damit um?

Als die Männer der griechischen Küstenwache den jungen Afghanen in einer Septembernacht aus der Ägäis fischten, erzählte er seine Geschichte: 1500 Dollar hätten die türkischen Schleuser von jedem der 14 Flüchtlinge verlangt. Dafür gab es ein altersschwaches Schlauchboot und ein großes Messer. Dann schickten die Schleuser die Afghanen auf die Reise von der türkischen Küste hinüber zur wenige Kilometer entfernten griechischen Insel Samos. Wenn sie von der griechischen Küstenwache gestellt würden, sollten sie die Luftkammern des Schlauchboots zerstechen, schärften ihnen die Schleuser ein: „Dann seid ihr Schiffbrüchige, und die Griechen müssen euch retten“. Das taten sie auch: 14 durchnässte, frierende Flüchtlinge drängten sich schließlich auf dem kleinen Schnellboot der Küstenwache.

Griechenland ist oft das erste Ziel für Flüchtlinge

Eine alltägliche Geschichte. Griechenland ist oft das erste Ziel für Flüchtlinge, die aus Nahost, Asien und Afrika nach Europa zu gelangen versuchen. Über 37 200 wurde vergangenes Jahr an den griechischen Grenzen aufgegriffen. Das war mehr als die Hälfte aller in die EU kommenden illegalen Einwanderer. Die meisten vertrauen sich Schleuserorganisationen an. Viele investieren die ganzen Ersparnisse ihrer Großfamilie in die Flucht – in der Hoffnung, später die zurückbleibenden Angehörigen mit Geld-Überweisungen ernähren zu können.

Die Hauptroute führte früher aus der Türkei über den Grenzfluss Evros nach Nordgriechenland. Seit die griechischen Behörden Ende vergangenen Jahres die Grenze mit einem drei Meter hohen Zaun und Überwachungskameras gesichert haben, verlagern sich die Flüchtlingsströme auf die Ägäis.Die Überfahrt in den meist maroden, überfüllten Booten von der türkischen Küste zu einer der griechischen Inseln ist riskant. Wie viele Flüchtlinge hier im Laufe der vergangenen Jahre ertrunken sind, weiß niemand. Die Zahl dürfte in die Hunderte gehen.

Die meisten Flüchtlinge wollen weiter Richtung Westen und Norden

Die meisten Flüchtlinge wollen weiter nach West- und Nordeuropa. Doch sie sind in Griechenland gefangen wie in einer Drehtür ohne Ausgang: Die Weiterreise in andere EU-Länder scheitert an den immer strengeren Kontrollen in den griechischen Häfen und den Landgrenzen. Und für die Rückkehr in die Heimat fehlt den meisten das Geld.

Die Zahl der in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge wird auf über eine Million geschätzt. Das ist eine große Belastung für ein Land mit nicht einmal elf Millionen Einwohnern. In Athen haben die Migranten ganze Straßenzüge in Besitz genommen, die zu Slums verkommen. Hier florieren Drogenhandel und Prostitution. Die Missstände sind Wasser auf die Mühlen der ausländerfeindlichen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Mit neuen Auffanglagern, zu deren Finanzierung die EU 250 Millionen Euro beisteuert, versucht die Regierung, die Lage zu entschärfen. Die Lager, überwiegend in leer stehenden Armeekasernen, sollen etwa 30 000 Migranten beherbergen, bis über deren Asylanträge oder Abschiebung entschieden ist. Das ist allerdings angesichts der Gesamtzahl nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Unzumutbare Zustände in Flüchtlingslagern in Griechenland

Griechenland steht zudem wegen der Zustände in den Flüchtlingslagern in der Kritik. Die Liste der Mängel der Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International ist lang: Feuchte Zellen, verschmutzte Bettwäsche, unzureichende medizinische Versorgung. Die Asylverfahren ziehen sich oft über Jahre hin.

Die griechische Regierung argumentiert, es sei ungerecht, dass sie den Flüchtlingsstrom allein bewältigen muss. Die Forderung der Griechen – ähnlich wie die der Italiener – , die Migranten auch auf andere EU-Staaten zu verteilen, stößt aber bisher bei den Partnern auf Ablehnung. Allein bei der Sicherung der Grenzen kann sich Griechenland auf Hilfe der anderen EU-Länder verlassen. Sie beteiligen sich mit Beamten der EU-Grenzschutzagentur Frontex an der Grenzüberwachung. Die Absicherung der Landgrenze im Norden und verstärkte Patrouillen in der Ägäis zeigen Wirkung. Im ersten Halbjahr 2013 ging die Zahl der in Griechenland aufgegriffenen illegalen Einwanderer gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte zurück.

EU hilft finanziell bei der freiwilligen Abschiebung

Auch bei der Rückführung von Migranten aus Griechenland in ihre Heimatländer hilft die EU finanziell. Doch von diesem Angebot haben bisher erst einige tausend Flüchtlinge Gebrauch gemacht. Die meisten hoffen weiter, irgendwann doch noch den Sprung aus der griechischen Drehtür nach Nordeuropa zu schaffen. Wie jene 19 Somalier, die griechische Fahnder vergangene Woche in einem Hohlraum unter dem Dach eines Reisebusses entdeckten. Sie wollten vom Hafen Igoumenitsa auf einer Fähre nach Italien übersetzen.

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