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Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister. Hinter seinen markigen Worten steckt nur Verwaltungsvollzug.

© Jörg Carstensen / dpa

Flüchtlings-"Urlaub" in Herkunftsstaaten: Ein Besuch in der Heimat ist noch kein Skandal

Statt Empörung zu bedienen, könnte der Innenminister klarstellen, dass eine Reise notwendig sein kann. Und Verfahren dafür anbieten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In Bundesländern wie Berlin, die ihre Sommerferien hinter sich haben, kommt das besonders schlecht an: Dass Flüchtlinge aus Syrien zurück in ihr Heimatland reisen, um dort „Urlaub“ zu machen. Aufgebracht hat das Thema die „Bild“, Innenminister Horst Seehofer (CSU) spielt in gewohnter Weise mit. Wer das regelmäßig macht, könne sich nicht ernsthaft darauf berufen, verfolgt zu werden, sprach er. „Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen.“

Fertig ist der Generalverdacht

Richtig. Bravo. Schnell sind die Kommentare geschrieben, in dem der „Missbrauch unserer Gastfreundschaft“ angeprangert wird. Das Twittervolk empört sich, die AfD hat Stoff für parlamentarische Anfragen. Fertig ist der Generalverdacht.

Ohne Zweifel gibt es ein Problem. Die Bundespolizei stellt nach eigener Auskunft „regelmäßig“ fest, dass Flüchtlinge mit Schutzstatus in Deutschland in ihre Heimatländer reisen. Ihr provisorischer Pass ermöglicht dies. Oft führen die Reisen über Nachbarländer der Herkunftsstaaten oder andere Staaten im Schengenraum. Das Problem ist auch schon lange bekannt, nur hat es sich mit dem Migrationsdruck der vergangenen Jahre verschärft. In den vielen neuen Restriktionen zum Asylrecht steckt seit 2017 auch eine Mitteilungspflicht für Botschaften, Bundespolizei und Sozialbehörden, wenn Schutzberechtigte ihr Heimatland aufsuchen.

Diese Kommunikationswege funktionieren, betont das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es prüft dann einen Widerruf. Klar ist deshalb, dass Seehofers markige Worte keine Ansage sind, sondern lediglich den Verwaltungsvollzug beschreiben.

Um Erholung geht es selten

So markig waren sie auch nicht. Der Minister sprach von Leuten, die „regelmäßig Urlaub machen“. Einmal Urlaub geht also? Und was heißt das eigentlich: Urlaub? Um Erholung geht es rückreisenden Syrern selten. Meist geht es um Familiäres. Bestatten, erben, besuchen. Um Kinder oder Kranke. „In Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung“ sind solche Touren erlaubt, sagt das Bamf. Der Widerruf fällt aus.

Nicht mal die „Bild“ konnte einen Urlauber auftreiben, schon gar keinen, der dies, wie Seehofer verlangt, „regelmäßig“ unternimmt. Das Bamf kann auf Anfrage keinen einzigen konkreten Fall benennen. Die statistischen Daten geben nur Zahlen für allgemeine Widerrufsverfahren her. Ein Problem mag also da sein. Aber wie groß es ist, weiß keiner.

Flüchtlinge gehen in das Risiko

Ein erster Schritt wäre deshalb, die Daten genauer zu erfassen. Ein weiterer könnte sein, ein Genehmigungsverfahren für notwendige Heimreisen festzuschreiben. Das gibt es bisher nicht. Flüchtlinge gehen immer ins Risiko. Dieser Schwebezustand erleichtert es, aus dem Thema einen Skandal zu machen. Doch ignoriert wird, dass solche Reisen zum Flüchtlingsleben dazugehören können. Seehofer weiß das, aber er sagt es so nicht. Sonst müsste er womöglich handeln.

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