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Flüchtlingsdrama: Spanien beginnt mit Abschiebungen

Spanien hat damit begonnen, afrikanische Flüchtlinge aus der Nordafrika-Exklave Melilla nach Marokko abzuschieben. Gestern waren bei einem erneuten Flüchtlingsansturm auf Melilla sechs Afrikaner ums Leben gekommen.

Madrid/Rabat - Eine erste Gruppe von 70 illegalen Einwanderern wurde von Melilla per Flugzeug nach Málaga in Südspanien und von dort über den Hafen Algeciras mit einem Schiff in die marokkanische Hafenstadt Tanger gebracht. Wie in der Nacht aus spanischen Polizeikreisen verlautete, stammten die Abgeschobenen aus Mali und anderen Ländern der Sahelzone.

Sie waren in den vergangenen Tagen von Marokko aus über die Grenze in die zu Spanien gehörende Stadt Melilla gestürmt. Marokko hatte sich am Mittwoch bereit erklärt, im Rahmen einer Sonderregelung Flüchtlingen aus Drittstaaten die Einreise zu gestatten, sofern diese aus dem nordafrikanischen Staat illegal nach Spanien eingedrungen waren.

Am Donnerstag waren bei einem Flüchtlingsansturm auf Melilla sechs Afrikaner ums Leben gekommen. Mehr als 30 weitere wurden nach Angaben des marokkanischen Innenministeriums verletzt. Die Opfer seien durch Schüsse getötet oder zu Tode getrampelt worden, hieß es. Die marokkanischen Grenzposten hätten sich angesichts des Massenansturms zur Wehr setzen müssen. Auch habe es rund 300 Festnahmen gegeben. Das Flüchtlingsdrama vor den Exklaven Melilla und Ceuta hat damit seit Ende August 14 Afrikaner das Leben gekostet.

Rund 1000 illegale Zuwanderer hatten im Morgengrauen drei Versuche unternommen, die Stacheldrahtzäune an der Grenze zu Melilla zu überwinden. Nach Angaben der Behörden gelang es nur einem von ihnen, die zu Spanien gehörende Stadt zu erreichen. Madrid und Rabat waren am Mittwoch übereingekommen, eine Vereinbarung aus dem Jahr 1992 wiederzubeleben, die nie vollständig verwirklicht worden war. Danach lässt Marokko bis auf weiteres unter bestimmten Bedingungen aus Spanien abgeschobene Flüchtlinge wieder einreisen.

Bisher hatten die Marokkaner nur eigene Staatsbürger wieder ins Land gelassen, aber keine Flüchtlinge aus Drittstaaten. Menschenrechtler erhoben den Vorwurf, die Sofort-Abschiebungen seien ein Verstoß gegen die spanischen Ausländergesetze. Innerhalb einer Woche gab es fünf Massenanstürme von Afrikanern, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Melilla gelangen wollten.

Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero will das Flüchtlingsproblem auch beim anstehenden EU-Sondergipfel in Großbritannien ansprechen. Er kündigte an, er wolle die anderen EU- Staaten dazu bewegen, Marokko bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems mehr Hilfe zu leisten.

Experten der Vereinten Nationen warnten vor einem Exodus von Afrikanern nach Europa. «Die Länder Europas sollten die Lage in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla extrem ernst nehmen», sagte die Sprecherin des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR, Astrid van Genderen Stort, dem «Handelsblatt» (Freitagsausgabe). «Die Zahl der Not leidenden Menschen Afrikas, die alles daran setzen, nach Europa zu kommen, könnte weiter ansteigen», meinte sie. (tso/dpa)

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