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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Flottillenadmiral Jörg Klein auf dem Marineschiff "Bonn" in der Ägäis zwischen Türkei und Griechenland.

© John MacDougall/Reuters

Update

Flüchtlingsdrama: UNHCR geht von bis zu 500 Toten im Mittelmeer aus

Berichte von Flüchtlingen stützen Meldungen, nach denen im Mittelmeer 500 Menschen ertrunken sein könnten. Ursula von der Leyen besucht die Marine in der Ägäis.

Aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge haben nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) Berichte über einen Schiffsuntergang mit mehreren hunderten Toten bestätigt. Die Überlebenden hätten nach ihrer Ankunft im griechischen Kalamata von dem Unglück berichtet, bei dem bis zu 500 Flüchtlinge umgekommen sein könnten, erklärte am Mittwoch die für Südeuropa zuständige Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks, Carlotta Sami, in Rom.

Falls sich die Berichte bestätigen sollten, wäre es eine der weltweit schlimmsten Flüchtlingstragödien in den letzten zwölf Monaten. In der Nacht auf den 19. April vergangenen Jahres waren mutmaßlich bis zu 800 Menschen ertrunken, als ihr Boot im Mittelmeer auf dem Weg von Libyen nach Italien kenterte. Nur 28 Flüchtlinge wurden gerettet.

Bei den aktuellen Überlebenden handelt es sich nach ihren Angaben um 41 Migranten aus Somalia, Äthiopien und dem Sudan. Zu ihnen zählten 37 Männer, drei Frauen und ein dreijähriges Kind, das mit seiner Familie unterwegs war. Sie wurden am Samstag aus dem Meer gerettet und trafen am Sonntag in Kalamata ein. Wann sich die Tragödie auf See genau ereignete, war laut der Sprecherin aber unklar.

Die Flüchtenden sollten auf ein größeres Schiff umsteigen - das kenterte

Die überlebenden Migranten waren demnach unweit der ostlibyschen Hafenstadt Tobruk mit einem zirka 30 Meter langen, fahruntüchtigen Boot zur Überfahrt nach Europa aufgebrochen. An Bord waren zwischen 100 und 200 Menschen. Mitten auf dem Meer zwangen die Schmuggler die Flüchtenden, auf ein größere Schiff umzusteigen. Dieses war bereits völlig überlastet, „es trug hunderte Menschen in furchtbar überfüllten Bedingungen“, teilte das UNHCR mit. Die heftige Bewegung und die zusätzliche Last brachten das größere Boot jedoch zum Kentern.

Ein Teil der Überlebenden sei noch nicht an Bord des größeren Schiffs gelangt. Den anderen Menschen, die das Unglück überstanden, sei es gelungen, zu dem kleineren Boot zurückzuschwimmen. Anschließend trieben sie mit dem Boot hilflos auf dem Meer, erklärte die UNHCR-Sprecherin weiter.

Berichte über die Flüchtlingskatastrophe kursieren bereits seit Montag, allerdings waren die genaueren Details lange Zeit ungewiss. Die Überlebenden seien später von einem Handelsschiff gerettet und nach Griechenland gebracht worden. Ein Team des Flüchtlingshilfswerks befragte anschließend in Kalamata die Geretteten.

Von der Leyen: "Wir dürfen nicht zu früh abziehen"

Unterdessen besuchte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das Versorgungsschiff „Bonn“ in der Ägäis zwischen der türkischen Küste und der griechischen Insel Chios. Dort liegen nur acht Kilometer zwischen beiden Ufern. Tausende Flüchtlinge haben das Mittelmeer hier in den vergangenen Jahren überquert, um nach Europa zu kommen. Für viele endete die Reise tödlich.

Als Leyen am Mittwoch auf der Brücke des Kriegsschiffes steht, ist weit und breit kein Schlauchboot zu sehen. „Bei Windstärke fünf bis sechs trauen die sich nicht rüber“, sagt ein Navigationsmeister. Aber auch bei gutem Wetter kommen weniger Flüchtlinge.

Die Hilfsorganisation SOS Mediterranee rettete am Sonntag 108 Flüchtlinge von einem sinkenden Schlauchboot im Mittelmeer.
Die Hilfsorganisation SOS Mediterranee rettete am Sonntag 108 Flüchtlinge von einem sinkenden Schlauchboot im Mittelmeer.

© dpa

Am 7. März begann die Nato, die Flüchtlingsrouten zu den Inseln Lesbos und Chios zu überwachen. Seitdem wird mit Ferngläsern und Sensoren nach Schleuserbooten im Umkreis von fünf bis sechs Kilometern geforscht. Wie groß der Anteil der Nato mit ihren acht Schiffen und 1100 Soldaten an der Entwicklung ist, kann niemand so genau sagen. Viel wichtiger als der eigentliche Auftrag - das Sammeln von Informationen - scheint bei der Mission ohnehin die Vermittlung zwischen zwei Bündnispartnern zu sein, die ganz und gar nicht miteinander klarkommen.

Wie heikel das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland ist, zeigen die verschlungenen Wege, auf denen von der Leyen auf die „Bonn“ gelangte. Erst flog sie für drei Stunden in die griechische Hauptstadt Athen, dann übernachtete sie in der türkischen Hafenstadt Izmir. Von dort erreichte sie mit einem türkischen Hubschrauber die „Bonn“. Das Flaggschiff des Nato-Einsatzes musste vorher allerdings sicherstellen, dass es sich in türkischen Hoheitsgewässern befindet.

Von der Leyen stellte die Soldaten auf einen längeren Einsatz ein: „Wir dürfen nicht zu früh abziehen, denn dann würden sehr schnell die Schlepper und Schleuser wieder versuchen, das alte Geschäftsmodell zum Leben zu bringen“, sagte sie. Das Unglück auf der Ausweichroute zwischen Libyen und Italien, auf die die Schlepper ihre Aktivitäten wieder verstärkt verlagern dürften, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestätigt.

Unmittelbar vor ihrer Reise in die Ägäis hatte von der Leyen in Luxemburg darüber verhandelt, wie es mit dem EU-Einsatz im zentralen Mittelmeer weitergehen soll. (epd/AFP/dpa)

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