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Ein prorussischer Separatist an der Absturzstelle von MH-17

© Reuters

Flug MH17: Absturzursache: Zwischenbericht lässt viele Fragen offen

298 Menschen sind beim Absturz der Passagiermaschine über der Ostukraine gestorben – und noch immer herrscht keine Klarheit darüber, wer oder was genau den Absturz verursacht hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das passt zynischerweise zur Tragik des Ganzen: dass hier von einem "Zwischenbericht" die Rede ist. Jetzt werden wieder Wochen ins Land gehen, mit weiteren Spekulationen, die den Angehörigen der Opfer neues Leid antun. So aber können sie ihren Frieden nicht machen. In diesem Fall hat das russische Luftfahrtamt fraglos recht: Es ist viel Zeit, viel zu viel Zeit verstrichen, als dass die Ursachen jetzt noch einfach zu erforschen sein könnten. Die Leichen haben immerhin lange ohne Untersuchung an der Absturzstelle gelegen, die Wrackteile sind in der ukrainischen Kampfzone verstreut, und was dort mit ihnen geschehen ist, weiß bisher keiner abschließend zu sagen. Langwierig ist das Ganze schon, nun wird es nervenzerfetzend. "Die objektive Untersuchung muss fortgesetzt werden", fordert Moskau – und wenn es einen Wunsch geben könnte, dann den, dass es genau das gibt: eine Untersuchung, die weitgehend unbeeinflusst von den politischen Umständen zu einem glaubwürdigen Ergebnis kommt. So schnell wie eben möglich.

Die Boeing, sagen die holländischen Experten, ist in der Luft auseinandergebrochen und vorher von "zahlreichen Objekten" durchlöchert worden. Was das für Objekte sein könnten, sagen sie nicht. Eine Rakete, mehrere Raketen? Eine Rakete, die vielleicht vor dem Auftreffen explodiert? Auch wieder eine dieser Spekulationen. Mehr als eine ist, dass die Maschine beschossen wurde; wer dafür verantwortlich ist, welche Seite, sagt der Zwischenbericht nicht.
Zwischenbericht: Das Wort erhält vor dem Hintergrund des unausgesprochenen Krieges zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Separatisten einen neuen Klang. Es ist auch ein Bericht zwischen den Fronten, vielleicht diplomatischer gefasst, als er sonst formuliert worden wäre, um das nicht zu gefährden, was beide Seiten im Moment eine "Waffenruhe" nennen. Abgesehen davon, dass die nicht recht eingehalten wird, ist sie das beste, was sich aus der Region gegenwärtig berichten lässt. Die Zeit wäre demnach jetzt sehr ungünstig für eine härtere Sprache, noch dazu eine mit eindeutigen Schuldzuweisungen – es sei denn, man hätte unwiderlegbare Beweise.
Die aber müssen nun her, so oder so, und beide Seiten müssen dringend mehr dazu beitragen. Die Absturzexperten müssen an den Ort des grausigen Geschehens und überall ungehindert arbeiten können, weil nur das eine wirklich "objektive Untersuchung" gewährleistet. Die Ukraine muss helfen, den Weg dazu freizumachen, weil sie sonst nicht in den Genuss (weiterer) westlicher Solidarität kommen darf; und die russische Seite, weil sonst die Sanktionen nicht angehalten werden dürfen.

Richtig, nicht angehalten werden dürfen. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie solange nicht ausgesetzt, sondern weiter angesetzt werden, wie es hier kein Entgegenkommen gibt. Die Bereitschaft des Westens, Entgegenkommen zu honorieren, ist doch unübersehbar: Er dreht mit Ansage im Zeitlupentempo an der Eskalationsschraube, jederzeit bereit anzuhalten und die Schraube der Sanktionen wieder zu öffnen. Es wird höchste Zeit, dass wenigstens die Opfer ihren Frieden machen können.

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