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Politik: Flugaffäre: Rudi macht ratlos

Das Signal kommt früh, und es kommt so, dass es jeder der SPD-Abgeordneten im Otto-Wels-Saal verstehen kann. Franz Müntefering hört mit ernster Miene zu, was Rudolf Scharping ihm zu sagen hat.

Von Robert Birnbaum

Das Signal kommt früh, und es kommt so, dass es jeder der SPD-Abgeordneten im Otto-Wels-Saal verstehen kann. Franz Müntefering hört mit ernster Miene zu, was Rudolf Scharping ihm zu sagen hat. Ein nicht minder ernst blickender Peter Struck spricht mit Scharping. Dann legt der SPD-Fraktionschef dem Verteidigungsminister kurz den Arm auf die Schulter. Und weil Abgeordnete gewohnt sind, auch auf die stummen Gesten ihres Chefs zu achten, ist von nun an jedem der gut 300 SPD-Parlamentarier klar: In dieser Fraktionsklausur an diesem Donnerstag ist nicht der Ort des Scherbengerichts.

Die Stimmung hätte allemal dafür gereicht. Hilfloses Achselzucken ist noch die positivste Reaktion unter den Abgeordneten, die frisch aus dem Urlaub in den Reichstag kommen. Offen in die Mikrofone reden mag kaum einer. Nur der Öko-Experte Hermann Scheer hält mit seinem Urteil nicht hinter dem Berg: "Dahinter kann man sich nicht mehr stellen."

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"Dahinter" - das sind die Fotos vom verliebten Rudi und seiner Gräfin Pilati am Pool, das ist Scharpings Kurztripp nach Mallorca und die Umstände, unter denen dabei die Flugbereitschaft zum Einsatz kam. "Es geht hier nicht um formal korrektes Verhalten", sagt Scheer. "Es geht um Maßstäbe." Verhältnismäßigkeit, Seriosität, Ansehen. "So denken fast alle", fügt Scheer hinzu.

Hinter vorgehaltener Hand sagen es andere sogar noch viel deutlicher. "Verheerend" nennt ein SPD-Mann den Eindruck, den der Fall in seinem Wahlkreis hinterlassen hat. "Der reißt die ganze Bundesregierung nach unten", zürnt ein Spitzengenosse auf dem Weg zum Fraktionssaal. Und niemand weit und breit, der den Verteidigungsminister verteidigt.

Nur Scharping selbst verteidigt sich. "Sie sehen mich ruhig, sehr ernst und mit der Gewissheit, dass ich mein Amt konzentriert führe und auch weiter führe", hat er draußen vor den Kameras verkündet. Drinnen hat er in fünf dürren Sätzen vor den Abgeordneten noch einmal versichert, dass alle seine Flüge mit der Flugbereitschaft den Vorschriften entsprochen hätten, dass er es freilich bedaure, dass seine Liebelei-Fotostory mit der Entscheidung über den Mazedonien-Einsatz zusammengetroffen sei. Sehr dürr sei der Beifall gewesen, berichten Teilnehmer. Gesagt hat keiner etwas. Und zwar gar keiner. Der Kanzler hat in seiner Rede vor den Abgeordneten den Fall Scharping mit keinem Wort erwähnt, der SPD-Generalsekretär nicht, der Fraktionschef auch nicht.

Nur hinterher hat Peter Struck - wieder draußen vor den Kameras - das eisige Schweigen mit einer kurzen Verkündung der offiziellen Linie durchbrochen. Er gehe davon aus, dass Scharpings Darstellung den Tatsachen entspreche. Nein, Listen der Inlandsflüge des Ministers mit der Flugbereitschaft habe und werde er sich nicht vorlegen lassen - warum auch? Die Opposition werde, wenn am Montag der Verteidigungsausschuss sich in einer Sondersitzung mit des Ministers Fluggebahren beschäftigt, den Beleg für ihre Mißbrauchs-Verdächtigungen gewiss schuldig bleiben. "Ich", sagt Struck, "vertraue ihm."

So ähnlich hat es damals in den letzten Tagen des Ministers Reinhard Klimmt auch geklungen. Im Klartext heißt Strucks Satz: Wehe ihm, wenn er dieses Vertrauen enttäuscht. "Scharping muss dafür sorgen, dass nichts mehr kommt", heißt es in der Regierung. Schafft er das alleine - gut. Aber helfen, das ist spätestens an diesem Donnerstag klar geworden, wird ihm niemand.

Und wenn stimmt, was mittlerweile in die Öffentlichkeit dringt: dass Scharping früher so gut wie nie per Luftwaffe nach Frankfurt geflogen sei, aber seit seiner Bekanntschaft mit der Gräfin Pilati sehr häufig; dass er auch am 9. Mai per Linie nach Frankfurt flog und tags darauf per Flugbereitschaft zurück, und dass der 9. Mai aber der Geburtstag der Gräfin ist - wenn das alles stimmt, und wenn es vor allem noch lange für schlechte Schlagzeilen sorgt, dann hilft ihm gar nichts mehr.

"Das guckt sich Schröder nicht mehr allzu lange an", sagt ein Regierungsmann. Unter den Abgeordneten mag jetzt schon keiner mehr auf Scharpings Zukunft wetten. Die Stimmung sei fürchterlich, sagt eine Sozialdemokratin. "Alle sehen es. Nur Rudi begreift es mal wieder als letzter."

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