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Flughafen öffnet erst 2013: Der Langzeit-Countdown zum BER-Start

Viele hatten damit gerechnet, nun ist es offiziell – der BER wird 2012 nicht fertig. Erst in 304 Tagen, am 17. März 2013, werden am neuen Großflughafen Maschinen starten und landen.

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Nicht August, nicht Oktober 2012 – nein, der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) wird erst am 17. März 2013 eröffnet. Es sei „nicht einfach erklärbar“, wie es zu diesem sehr späten Termin komme, gestand Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft am Donnerstag ein. Das ist wohl wahr. Im folgenden sollen dennoch die Gründe, aber auch die Auswirkungen beleuchtet werden.

Warum dauert es noch so lang bis zur Eröffnung?

Wowereit sagte rückblickend, das zuständige Bauordnungsamt sei nicht bereit gewesen, „eine interimistische Lösung“ der Entrauchungsanlage zu akzeptieren. Diese sah beim Brandschutz eine sogenannte „Mensch-Maschine-Kopplung“ vor, also eine teilweise Übernahme von eigentlich automatisierten Prozessen durch Arbeitskräfte. Weil nun der komplett automatisierte Ablauf garantiert werden solle, ergebe sich dieser deutliche Zeitunterschied. Überdies hätten die Fluggesellschaften Wert darauf gelegt, den Umzug nicht mehr vor dem Winterflugplan zu realisieren. Die Wintermonate Januar und Februar seien ohnehin schwierig für einen Neustart, auch Ostern komme nicht infrage. Daraus ergäben sich nun diese „Terminabläufe, die auf den ersten Blick nicht ganz akzeptierbar sind“.

Spott über den Schaden am Flughafen BER:

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) fügte hinzu, künftig werde es „keine Übergangslösung und keine Provisorien“ mehr geben. Zudem sollen sich einzelne Abläufe, etwa Bauarbeiten und Probebetrieb, nicht mehr überlappen. Bisher hätten zum Beispiel Bauarbeiter für ihre Arbeiten mehrmals den Strom abgedreht, was beim gleichzeitigen Probebetrieb zum Ausfall von Check-in- Schaltern geführt habe, sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Im Übrigen hat man nach Ansicht von Platzeck nun auch Zeit gewonnen, um beim Lärmschutz „nachzulegen“. Der Aufsichtsrat sei unzufrieden damit gewesen, wie die Geschäftsführung diese Aufgabe umgesetzt habe. Betroffene müssten ernst genommen werden.

Was bedeutet die Beendigung der Zusammenarbeit mit der Generalplanergesellschaft pgbbi für das Projekt?

Die Planungsgemeinschaft pgbbi besteht aus der J. S. K. International Architekten und Ingenieure GmbH sowie der gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, also den Architekten von Gerkan, Marg und Partner. Sie verwalteten den gesamten Planbestand in der Ausführungs- sowie Werkstatt- und Montageplanung für das Fluggastterminal, acht betriebsspezifische Gebäude sowie Pier Nord und Pier Süd. Dass Generalplanung und Bauüberwachung in einer Hand lagen, habe zur einer „Art Selbstkontrolle“ geführt, sagte der im Aufsichtsrat sitzende Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba. Die Planungsgemeinschaft kann gegen ihre Kündigung klagen. Urheberrechte für die Architektur seien vertraglich ausgeschlossen, sagte Kunkel.

So entsteht der Hauptstadtflughafen BER:

Wer soll das künftig übernehmen?

Nach den Worten Wowereits soll künftig die Flughafengesellschaft selbst „stärker in die Verantwortung“ gehen. Sie werde ein eigenes Controlling aufbauen. Dazu werde aber auch „externer Sachverstand“ gebraucht, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz, der seinen Job behält. Auch Büros, die schon jetzt eingeschaltet waren, sollen dabei sein. Den Bereich des geschassten Mitgeschäftsführers Manfred Körtgen, der für den Ausbau des Flughafens und die Technik zuständig war, soll Schwarz interimistisch übernehmen. Ein Nachfolger für Körtgen solle zügig gefunden werden, kündigte Wowereit an.

Welche neuen Erkenntnisse hat der Aufsichtsrat über die Pannenursachen?

Die „Achillesferse“ war nach Angaben von Platzeck bereits seit der ersten Terminverschiebung, die auf die Insolvenz eines Generalauftragnehmers zurückzuführen war, die technische Gebäudeausrüstung, für deren Planung das insolvente Büro zuständig war. So gebe es dabei 3500 sogenannte Meldestellen, die alle einzeln auszusteuern und miteinander verknüpft werden müssten. Den durch die Insolvenz Anfang 2010 entstandenen Verzug habe man nicht mehr aufgeholt, was zu lange verschwiegen worden sei. Zudem habe es Planungsmängel gegeben, die sich verstärkt hätten. Auf der Controlling-Ebene sei aber nicht, wie es notwendig gewesen wäre, auf „Rot geschaltet“ worden. Stattdessen sei immer versichert worden, die bekannten Probleme würden so gelöst, dass der Eröffnungstermin 3. Juni gehalten werden könne. Ein solches Verhalten hätten die Aufsichtsräte nicht erwartet. Aber auch die durch den verspäteten Einbau der anspruchsvollen Brandschutzanlage entstandenen Risiken seien unterschätzt worden, gab die Flughafengesellschaft zu. Zudem seien verschiedene Gewerke nicht mehr im Zeitplan gewesen; Systeme wie die Datentechnik oder die Türsteuerung seien noch nicht so stabil gewesen wie erforderlich.

Die größten Flughafen-Pannen der Welt:

Wie gehen die Fluggesellschaften mit dem neuen Eröffnungstermin um?

Offiziell sagte Wowereit, die drei großen Flughafennutzer Lufthansa, Air Berlin und Easyjet gingen weiterhin davon aus, dass ihre Flugpläne für den neuen Flughafen mit dem ausgeweiteten Verkehr trotz der Terminverschiebung auch an den vorhandenen Flughäfen Schönefeld und Tegel bestehen blieben. Das heißt, dass es für Passagiere „keine oder nur wenige Veränderungen“ gebe. Der neue Termin sei in der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch mit den Fluggesellschaften abgestimmt worden.

Am Donnerstag konterte Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn mit scharfer Kritik. „Dies ist völlig inakzeptabel und fügt Berlin als Flughafendrehkreuz einen kaum mehr reparablen und deshalb unerträglichen Imageschaden zu“, sagte er. Das Flugprogramm mit den geplanten Langstreckenzielen, die auch über den Winter angesteuert werden sollen, sei so kaum zu realisieren. Das Gleiche gelte für geplante Ziele in Übersee. Auf der kürzeren Startbahn in Tegel können Langstreckenmaschinen nicht voll beladen starten. „Wir hätten mit sehr viel Bauchschmerzen eine Verschiebung der BER-Eröffnung auf Ende Oktober hingenommen“, die jüngste Entscheidung greife aber tief in die Geschäftstätigkeit des Berliner Marktführers ein, bemängelte Mehdorn. Als einzige Fluggesellschaft mit einem Drehkreuz in Berlin sei Air Berlin besonders betroffen. Der Imageschaden durch den eingeschränkten Betrieb sei „finanziell kaum zu beziffern“.

Verständnis zeigt dagegen Konkurrent Easyjet. Deren Deutschland-Geschäftsführer Thomas Haagensen versprach am Donnerstag einen reibungslosen Übergang – auch bei neuen Flugzielen.

Was bedeutet die Verschiebung für den Betrieb von Tegel?

In Tegel wird es extrem eng. Abstellplätze für Flugzeuge sind heute schon rar, die einzige Zufahrtsstraße ist bereits jetzt häufig verstopft. Und die Zahl der Passagiere wird nochmals zunehmen. Außerdem muss der Winterdienst neu organisiert werden, der nicht mehr vorgesehen war. Betriebspflicht und Betriebsgenehmigung waren noch nicht aufgehoben worden. Rechtlich muss Tegel erst spätestens ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme der Pisten in Schönefeld geschlossen werden. Investiert werden solle in Tegel nichts mehr, kündigte Flughafenchef Schwarz an.

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