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Flugzeugabsturz: Fluglotse: Der Pilot wollte nur einen Landeversuch machen

Erstmals berichtet das Personal in Smolensk über Gespräche mit der Besatzung. Die Crew missachtete auch Anweisungen vor der Landung.

Mehr als 60 russische und polnische Ermittler bemühen sich, die Ursachen für den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine bei Smolensk aufzuklären. Zwar wurden die Flugschreiber bereits dechiffriert. Die Öffentlichkeit wurde über den Inhalt der Gespräche, die im Cockpit und mit dem Tower auf dem Flugplatz geführt wurden, bisher jedoch kaum informiert. Der Leiter der Ermittlungsbehörde bei der Generalstaatsanwaltschaft, Alexander Bastrykin, wiederholte nur den Stand vom Samstag: Die Flugleitung habe wegen der schlechten Sicht von einer Landung dringend abgeraten, die Besatzung sei dem jedoch nicht gefolgt.

Das bestätigte auch die Flugleitung in Sewernyj. Dort landen zwar hin und wieder Passagierflugzeuge, eigentlich aber handelt es sich nur um einen Militärflugplatz. Es gibt auf dem Boden keine Geräte, die eine Landung bei schlechter Sicht unterstützen. Bei der Landung russischer Maschinen trifft daher der Stab der Luftwaffe in Moskau die letzte Entscheidung. Ihm untersteht das Personal am Flughafen, darunter auch Pawel Pljusnin. Er war am Samstag diensthabender Flugleiter und führte den gesamten Funksprechverkehr mit dem Cockpit der Unglücksmaschine. Seine Sicht der Dinge erklärte er jetzt im Exklusivinterview für die russische Online-Zeitung „Live news“. Demzufolge hatte er der Besatzung gleich nach Überfliegen der Grenze zwischen Weißrussland und Russland vorgeschlagen, auf einen anderen Flughafen auszuweichen. Anfangs, sagte Pljusnin, habe der Pilot gesagt, er werde einen Versuch unternehmen. Sollte dieser fehlschlagen, werde er der Empfehlung folgen. Genug Flugbenzin habe er. Später habe die Besatzung ein Ausweichen jedoch abgelehnt. Trotz wiederholter Aufforderung, sagte der Fluglotse, habe die Crew keine Informationen über ihre Flughöhe mehr übermittelt. Das wirft erneut die Frage auf, was sich in der Zwischenzeit an Bord ereignete.

Generalleutnant Alexander Aljoschin, Vizestabschef der Luftwaffe, sagte, die Flugleitung habe, als die Maschine noch anderthalb Kilometer von der Rollbahn entfernt war, festgestellt, dass „die Besatzung die beim Sinkflug zulässige vertikale Geschwindigkeit überschritten“ hatte und sich daher unterhalb des Gleitwinkels, der günstigsten Linie für den Landeanflug, befunden habe. Der Tower habe die Besatzung daher angewiesen, zum Horizontalflug überzugehen. Weil die Crew dem nicht folgte, habe der Tower danach mehrfach gedrängt, auf Minsk oder Moskau auszuweichen. Die Maschine hätte ihren Sinkflug dennoch fortgesetzt, und das sei „tragisch ausgegangen“ sagte der Dreisternegeneral. Von Moskau sind es 400 Kilometer bis Katyn, wo Lech Kaczynski und seine Begleitung der Opfer des Massakers von 1940 gedenken wollten. Die Landung, erlärte Magomed Tolbojew, Kosmonaut und Ex-Testflieger, sei eine politische Entscheidung gewesen. Mehr noch: Wäre die Besatzung den Anweisungen gefolgt und zum Horizontalflug übergangen, hätte die Maschine, selbst wenn sie die Landebahn verfehlt hätte, waagerecht aufgesetzt. Viele der Insassen wären dann vielleicht am Leben geblieben.

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