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Föderalismusreform: Bundestag beschließt "Mutter aller Reformen"

Mit der nötigen Zweidrittelmehrheit hat der Bundestag die Föderalismusreform beschlossen. Jetzt muss den zahlreichen Grundgesetzänderungen zur Neuordnung des Bund-Länder-Verhältnisses noch der Bundesrat zustimmen.

Berlin - Mit dem Votum beendete der Bundestag eine jahrelange Debatte über die "Mutter aller Reformen". Gleichzeitig wurde damit die größte Verfassungsreform in der Geschichte der Bundesrepublik umgesetzt.

Das Parlament votierte mit 428 von 592 Stimmen für die von der großen Koalition eingebrachte Grundgesetzänderung zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Damit wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht. 161 stimmten mit Nein, drei Parlamentarier enthielten sich. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach von der größten und bedeutendsten Reform des Grundgesetzes seit Bestehen der Bundesrepublik. Nun muss noch der Bundesrat zustimmen.

Kernstück der Reform ist die Reduzierung der Zustimmungspflicht des Bundesrates bei Gesetzen des Bundes. Im Gegenzug übernehmen die Länder vom Bund eine Reihe von Zuständigkeiten, etwa beim Ladenschluss, beim Strafvollzug oder beim Heimrecht. Die Länder werden künftig für die Besoldung ihrer Beamten zuständig sein, der Bund erhält mehr Kompetenzen bei der Terrorismusbekämpfung. Nach letzten Änderungen erhält der Bund weiterhin Einfluss im Bereich der Wissenschaft, während in der Schulpolitik allein die Länder zuständig sind. Eine Reihe von Änderungsanträgen der Opposition wurde vor der Schlussabstimmung abgelehnt. Der Bundesrat will am 7. Juli über die Reform abstimmen, auch dort wird eine Zweidrittelmehrheit erwartet.

Kritik aus der Opposition

Lammert sagte, die Reform sei von der Bedeutung als auch von der Zahl der geänderten Grundgesetzartikel her die "größte Verfassungsänderung". Die Bekanntgabe des Ergebnisses im Reichstagsgebäude wurde vom Applaus der Abgeordneten begleitet. In der Debatte vor der Abstimmung hatte die große Koalition das Reformwerk gegen Kritik aus der Opposition verteidigt. Durch die Reform werde "staatliches Handeln durchschaubarer", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das föderale System sei zwar gut und habe sich bewährt. "Aber es ist eine Schieflage entstanden in diesen Gefüge." Die Kanzlerin würdigte insbesondere die in dem Entwurf vorgesehene Abschaffung der Rahmengesetzgebung als Fortschritt. Zudem werde der nationale Stabilitätspakt dafür sorgen, dass Bund und Länder künftig gemeinsam die Verantwortung für die Verletzung der EU-Stabilitätskriterien tragen. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte in der Debatte, Gewinner seien die Bürger und der Bund. Die Rolle des Vermittlungsausschusses werde zurückgedrängt, dadurch entstehe mehr Transparenz.

"In den meisten Politikfeldern kann der Bund jetzt endlich mit eigener Stimme sprechen", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck. "Es ist meine Überzeugung, dass es beim solidarischen Föderalismus bleiben wird." Er verwies darauf, dass die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze faktisch halbiert werde, und dass der Bund weitreichende Kompetenzen bei Forschung und Lehre an den Hochschulen erhalte.

FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, das umstrittene Kooperationsverbot in der Bildung sei trotz der letzten Änderung bei den Hochschulen "nicht substanziell aufgeweicht" worden. Er warf der Koalition vor, die Neuordnung der Finanzbeziehungen auf die lange Bank zu schieben. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte, in der Gesetzesvorlage befänden sich "jede Menge sachfremder Deals", die das Land nicht weiterbrächten. Es handele sich keineswegs um ein "Meisterstück", vielmehr sei die Reform von "kleingeistigem Lobbyismus" geprägt.

Linksfraktions-Vize Bodo Ramelow warf der großen Koalition vor, das Ziel der Verfassungsreform nicht definiert zu haben. Es handele sich um einen "faulen Kompromiss", der in den "Parteizentralen gezimmert" worden sei. Die Kompetenzübertragung des Besoldungsrechts auf die Länder werde zu einer "Kleinstaaterei" führen, sagte der Linkspartei-Politiker. (tso/AFP)

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