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Folgen des rechten Terrors: Einwanderer misstrauen der Polizei

Die Morde der rechtsextremen Terrorzelle haben die Türken in Deutschland verunsichert. Wegziehen wollen sie aber nicht.

Von Frank Jansen

Die in der Bundesrepublik lebenden Türken und türkischstämmigen Deutschen sind angesichts der Morde der rechtsextremen Terrorzelle enorm verunsichert, wollen aber mehrheitlich im Land bleiben. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Hacettepe Universität Ankara unter repräsentativ ausgewählten, 1058 türkischstämmigen Migranten in Deutschland. Ihnen hatte das Berliner Meinungsforschungsinstitut SEK-POL/Data4U im Auftrag der Universität im Dezember telefonisch 36 Fragen gestellt. Demnach lasten viele türkische Migranten die Morde der Bande „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ den Sicherheitsbehörden an. Auf die Frage, „wurden Ihrer Meinung nach die Mörder vom deutschen Staat gefördert oder gar beschützt?“ antworteten 55 Prozent mit „ja“. Nur 21 Prozent glaubten das nicht.

Die Terrorgruppe hatte von 2000 bis 2006 acht Kleinunternehmer türkischer und einen griechischer Herkunft getötet. Dass die Täter nicht gefasst wurden und es „Nachrichten und Informationen über Beziehungen der Neonazis zu einigen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes“ gebe, sei „Hintergrund des großen Misstrauens der türkischen Migranten gegenüber dem deutschen Staat“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Zentrums für Migrations- und Politikforschung der Hacettepe Universität und der Meinungsforscher. Außerdem befürchteten 67 Prozent der Befragten weitere rassistisch motivierte Morde in Deutschland. Knapp 40 Prozent hätten sogar „konkret Angst davor, dass sie selbst oder Freunde und Bekannte Opfer des Neonazi-Terrors werden könnten“. Und etwa 60 Prozent glaubten, „dass die deutschen Politiker die Ereignisse am liebsten vertuschen und unter den Teppich kehren möchten“, schreiben die Universität und die Demoskopen.

Die türkischen Migranten neigen dennoch in ihrer Mehrheit offenbar nicht zu pauschalen Ressentiments. Die Befragten setzten die Mordserie „nicht mit der deutschen Gesellschaft in Verbindung“ und vermieden es, die Deutschen zu beschuldigen, steht in dem Papier. 78 Prozent der Migranten brächten die Morde „nicht mit der deutschen Gesellschaft als Ganzes, sondern mit einer radikalen Gruppierung in Verbindung“. Nur sieben Prozent seien der Ansicht, „dass ein großer Teil der deutschen Gesellschaft“ für die Morde mitverantwortlich sei. Und lediglich zwei Prozent gehen noch weiter und meinen, die deutsche Gesellschaft haben die Tötungsverbrechen begangen.

Die Stimmung unter den türkischen Migranten ist laut Umfrage geprägt von Trauer (74 Prozent), weniger von Wut (12 Prozent). Außerdem wollen 77 Prozent ihr Leben weiterhin in Deutschland führen. Nur vier Prozent wollten wegen der rechtsextremen Morde „sicher in die Türkei zurückkehren“, heißt es in der zusammenfassenden Darstellung der Antworten. Die Hacettepe Universität, eine der größten der Türkei, und die Berliner Meinungsforscher werten denn auch die Ergebnisse der Befragung insgesamt positiv. Eines der Hauptziele der Mörder, die türkischen Migranten zu verunsichern „und somit ihre ihre Rückkehr in ihr Heimatland zu erzwingen“, sei gescheitert. Die türkischen Migranten hätten bewiesen, „dass sie ein unzertrennlicher Teil Deutschlands geworden sind“. Denn immerhin 75 Prozent der Befragten „glauben daran, dass sie sich in die deutsche Gesellschaft mehr oder weniger vollständig integriert haben“. Die Resultate der Umfrage gäben „den Integrationsdebatten in Deutschland eine neue Dimension“, meinen Universität und Meinungsforscher. Sie fordern, ohne die Sarrazin-Debatte direkt zu erwähnen, Probleme eher mit Blick auf die „gesellschaftliche Akzeptanz“ für Migranten zu suchen „statt in der angeblichen Integrationsunwilligkeit“.

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