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In vielen afrikanischen Staaten ist Russland inzwischen präsent. In Mali soll die berüchtigte russische Söldnergruppe Wagner aktiv sein.

© imago images/Starface

Folgen des Ukraine-Krieges: Putins afrikanische Freunde

Durch Waffenlieferungen und Hilfe für Autokraten versucht Moskau, immer mehr afrikanische Staaten an sich zu binden.

Afrika wird wieder einmal zum Aufmarschgebiet fremder Interessen. Der US-Kongress verabschiedet ein „Gesetz zur Bekämpfung bösartiger russischer Aktivitäten in Afrika“, während im „Global Engagement Center", der US-Zentrale für die Abwehr von Desinformationskampagnen, Hochbetrieb herrscht. Bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung hat Anfang März fast die Hälfte der afrikanischen Delegierten der Verurteilung Russlands wegen des Überfalls auf die Ukraine nicht zugestimmt: In westlichen Hauptstädten hat man das mit Unbehagen aufgenommen. Afrika ist nicht nur wegen seiner Bodenschätze und zunehmend auch wegen seiner Sonnenstrahlen wichtig: Der Kontinent verfügt auch über mehr als ein Viertel aller Stimmen im Weltparlament.

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Russland war schon früher da. Während Washington unter Donald Trump Afrika links liegen ließ, schloss Moskau auf dem Kontinent mit einem Staat nach dem anderen Militärabkommen ab – mehr als 20 sind es inzwischen. Seitdem können sich unter Druck geratene Regierungschefs – wie in Äthiopien oder dem Sudan – russischer Waffen sicher sein. Wer sich, wie der malische oder der zentralafrikanische Staatschef, in akuter Notlage wähnt, kann sogar russische Söldner bestellen; und wer sich das Ergebnis einer Wahl zurechtschneidern will, ruft die russische „Agentur für Internet-Forschung“ zur Hilfe. Moskau kommt in Afrika ausnahmslos Regierungen zu Hilfe: Die Bevölkerung ist höchstens als manipulierbares Stimmvieh von Bedeutung.

Sprachlich hat der Westen einen Vorteil

Historisch tritt Russland in Afrika mit einem Handikap an. Westeuropas ehemalige Kolonialmächte haben schon sprachlich einen Vorteil. Fast überall auf dem Kontinent werden im Fernsehen US-Serien oder englischer Fußball gezeigt; wer es sich leisten kann, geht zum Studieren nach London, New York oder Paris; und wer sich auf der Suche nach einer Zukunft in Richtung Europa auf den Weg begibt, peilt selbstverständlich nicht Russland, sondern Großbritannien oder Frankreich an. Die zahllosen zivilgesellschaftlichen Organisationen des Erdteils werden fast ausschließlich aus dem Westen unterstützt, während sich der Osten auf die Wirtschaft (China) oder das „Sicherheitsbedürfnis“ der Regierenden (Russland) konzentriert.

Beide Staaten haben bei afrikanischen Präsidenten einen guten Ruf, weil sie sich nicht um die „inneren Angelegenheiten“ ihrer Partner kümmern – im Gegensatz zum Westen, der seine Unterstützung gerne an Bedingungen wie Demokratie, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte knüpft. Das muss allerdings nicht unbedingt sein, solange das Land – wie etwa Äquatorialguinea – über Erdöl verfügt. Hat es nichts dergleichen, muss sich seine Regierung schon mehr anstrengen. Oder an Russland wenden.

Der Kontakt zwischen den Genossen brach nicht ab

Dessen Hochburg befindet sich im südlichen Afrika, das sich als letzter Teil des Kontinents von seinen Kolonialmächten befreite. Meist mit russischer Hilfe: Moskau bildete und rüstete Befreiungskämpfer in Angola und Mosambik, in Nord- und Süd-Rhodesien, in Namibia und in Südafrika aus. Der Kontakt zwischen den russischen und afrikanischen Genossen brach niemals ganz ab – selbst nachdem die Befreiungsbewegungen längst zu korrupten Regierungsparteien und die sozialistischen Sowjetrepubliken zu räuberischen Oligarchien mutierten. Noch heute verbindet sie ein gemeinsames Interesse: sich so schamlos und so schnell wie möglich zu bereichern.

Nirgendwo kam das deutlicher zum Vorschein als in Wladimir Putins Freundschaft mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma. Die beiden fühlten sich schon durch ihre bescheidene Herkunft und ihre Schlapphut-Karriere verbunden – auch Zuma war vom KGB ausgebildet worden. An die Macht gekommen, versuchte er, das Konzept von Putins Ganovenstaat fast 1:1 auf Südafrika zu übertragen: Der Versuch, sämtliche staatlichen Institutionen mitsamt der Staatsbetriebe zu unterwandern, wurde „State Capture“ genannt. Um ein Haar hätte Zuma das Land am Kap der Guten Hoffnung wie Putin Russland in einen Mafia-Staat verwandelt.

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Er scheiterte schließlich an seinem Stellvertreter Cyril Ramaphosa, unter dessen Präsidentschaft auch eine distanziertere Haltung gegenüber Moskau erwartet wurde. Ramaphosa war auch nie zum Befreiungskämpfer ausgebildet worden. Umso größer die Überraschung, als sich in der UN-Vollversammlung auch Südafrika der Stimme zur Verurteilung des russischen Angriffskrieges enthielt. Schon zuvor war die in Großbritannien aufgewachsene Außenministerin Naledi Pandor wegen ihrer spontanen Verurteilung Putins unwirsch aus dem Präsidentenamt zurückgepfiffen worden.

Der Süden könnte als Partner des Westens wegbrechen

Im deutschen Kanzleramt ist eine der größten Sorgen, dass die Demokratien des globalen Südens als Partner des Westens wegbrechen könnten. Nicht nur in Afrika, sondern auch in Asien. Um die Verbindungen zu Schlüsselländern zu stärken, hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) unter anderem Indien, Indonesien und den Senegal zum G7-Gipfel nach Bayern (26.-28. Juni) eingeladen. Im Rahmen einer Afrika-Reise im Mai stattete Scholz auch Pretoria einen Besuch ab. Auch Cyril Ramaphosa erhielt eine Einladung zum Gipfel. Doch falls der Kanzler erwartet hatte, den Präsidenten für eine gemeinsame Haltung im Umgang mit Russland gewinnen zu können, sah er sich enttäuscht: Südafrika werde sich im „Konflikt“ zwischen Russland und der Ukraine weiterhin neutral verhalten, beschied Ramaphosa – beharrlich das Wort „Krieg“ oder gar „Angriffskrieg“ vermeidend. Was der indignierte Bundeskanzler womöglich nicht wusste: Ramaphosas Partei, der ANC, baut über seinen Investmentarm, das „Chancellor House“, gemeinsam mit dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg das Metall Mangan in der Wüste Kalahari ab. Eine Verurteilung Russlands kann sich die nicht nur moralisch, sondern auch finanziell bankrotte Regierungspartei partout nicht leisten: Anfang dieses Jahres konnte sie schon ihre Angestellten nicht mehr bezahlen.

In Not. Millionen Menschen in Afrika leiden unter Hunger.
In Not. Millionen Menschen in Afrika leiden unter Hunger.

© dpa,Tsiory Andriantsoarana

Scholz’ Afrika-Reise führte ihn auch nach Niger und Senegal. Bei dem Besuch in Dakar hatte er mit Präsident Macky Sall auch über die geplante Reise nach Moskau und Kiew gesprochen. Nach Tagesspiegel-Informationen soll er im Namen der Afrikanischen Union Wladimir Putin dazu bringen, sich beim Thema Ernährung zu bewegen und Getreidelieferungen aus der Ukraine zu ermöglichen. Gleichwohl besteht natürlich die Gefahr, dass er mit großzügigen eigenen Getreide-Lieferzusagen versuchen könnte, diese Länder noch stärker auf die russische Seite zu ziehen.

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