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Politik: Folterdrohung: Polizeivize verurteilt, aber unbestraft Daschner wird wegen schwerer Nötigung im Entführungsfall Jakob von Metzler nur verwarnt

Frankfurt am Main/Berlin - Frankfurts früherer Vizepolizeipräsident Wolfgang Daschner ist am Mittwoch wegen der Folterdrohung gegen den später wegen Mordes verurteilten Magnus Gäfgen schuldig gesprochen worden, gilt aber weiter als unbestraft. Das Frankfurter Landgericht verwarnte ihn und den mitangeklagten Kriminalkommissar Ortwin E.

Frankfurt am Main/Berlin - Frankfurts früherer Vizepolizeipräsident Wolfgang Daschner ist am Mittwoch wegen der Folterdrohung gegen den später wegen Mordes verurteilten Magnus Gäfgen schuldig gesprochen worden, gilt aber weiter als unbestraft. Das Frankfurter Landgericht verwarnte ihn und den mitangeklagten Kriminalkommissar Ortwin E. mit einer Geldstrafe unter Vorbehalt und blieb in der Höhe unter der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Richterin Bärbel Stock sah bei dem Vernehmungsbeamten den Tatbestand der schweren Nötigung als erfüllt, zu der er von Daschner verleitet worden sei. Mit ihren „verwerflichen“ Drohungen hätten sie die Menschenwürde Gäfgens verletzt und seien auch unter dem Gesichtspunkt „Wehret den Anfängen“ zu bestrafen. Da es ihnen aber um das Leben des entführten Bankierssohns Jakob von Metzler gegangen sei, habe die Strafe gemildert werden müssen.

Die Reaktionen auf das Urteil fielen unterschiedlich aus. Der parlamentarische Grünen-Geschäftsführer Volker Beck erklärte: „Das Frankfurter Landgericht hat klar gemacht, dass die Anwendung oder die Androhung von Folter geahndet werden muss.“ Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, begrüßte den Richterspruch: „Das Urteil schafft Rechtssicherheit für die Polizei und hat die äußerst schwierige menschliche Konfliktsituation berücksichtigt.“

Kritik kam dagegen von Menschenrechtsorganisationen. Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, Barbara Lochbihler, bemängelte, die Tat Daschners sei nicht als Folter gewertet worden. „Das Gericht hat die Chance verpasst, hier ein unmissverständliches Wort beizutragen“, sagte sie. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisierte das Strafmaß. „Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt wird der Bedeutung des absoluten Folterverbots nicht gerecht“, sagte Direktor Heiner Bielefeldt.

Der Fall Daschner hatte in Deutschland eine hitzige Debatte um die Zulässigkeit von Folter ausgelöst. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zeigte seinerzeit „menschliches Verständnis“. Der CSU-Innenexperte Norbert Geis forderte eine „härtere Gangart, wenn es darum geht, Leben zu retten“. Der damalige Präsident des Deutschen Richterbunds, Geert Mackenroth, trat zurück, nachdem er Folter zur Rettung von Menschenleben in bestimmten Situationen als erlaubt bezeichnet hatte.

Unter Juristen war bisher umstritten, ob Daschner bestraft werden muss. Folter ist in der Verfassung, nicht aber nach dem Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten. Während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit Verweis auf den Bundesgerichtshof (BGH) einen „rechtfertigenden Notstand“ für möglich hielt und darin von BGH-Präsident Günter Hirsch unterstützt wurde, verwiesen zahlreiche Politiker und Fachleute wie der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, auf die ausnahmslose Geltung des Folterverbots.

Verwarnungen mit Strafvorbehalt werden nicht in das polizeiliche Führungszeugnis eingetragen. Daschner muss seine Geldstrafe auch nur zahlen, wenn er erneut gegen Gesetze verstößt. Der Strafrahmen einer Nötigung in einem schweren Fall – derer Daschner schuldig ist, weil er als Beamter gehandelt hat – liegt bei sechs Monaten bis fünf Jahren Haft. Richter dürfen dennoch milder strafen, wenn sie meinen, dass kein typischer schwerer Fall vorliegt. Verteidigung und Anklage verzichteten auf Rechtsmittel. Damit wird das Urteil rechtskräftig.

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