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Politik: Fordern und folgen

Milbradt fügt sich nun der Linie der Bundespartei – und verzichtet auf Attacken gegen Hartz IV

Von Matthias Schlegel

Für die sächsischen CDU-Anhänger ist es eine Art Dream-Team, das auf diesem Landesparteitag in Chemnitz den Landtagswahlkampf in den Endspurt führt: Ministerpräsident Georg Milbradt, der Spitzenkandidat, und Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit. Der eine reiht im kraftvollen Stakkato die Sachargumente für den 14-jährigen sächsischen Erfolgskurs aneinander und bestärkt die 1000 Delegierten und Gäste des Parteitags in der Gewissheit, dass nur die erneute absolute Mehrheit Lohn aller Mühen sein könne. Der andere streichelt die Seelen der Delegierten und bestärkt sie mit der Altersweisheit des politischen Übervaters christlicher Prägung. Und beide loben einander überschwänglich – das sind neue Töne in Sachsen. Kurt Biedenkopf, den Intimfeind der beiden (Kohl: „Jeder weiß, dass mich mit Biedenkopf kein Liebesverhältnis verbindet“), erwähnen sie immerhin mit Respekt. Doch zum Parteitag ist „König Kurt“ gar nicht erst gekommen.

In den vergangenen Wochen musste Milbradt sorgenvoll auf die Umfragen schauen. Die absolute Mehrheit schien gefährdet, weil die vor allem in Ostdeutschland verbreitete Angst vor den anstehenden Sozialreformen auch auf das Ansehen der CDU durchschlug. Von zaudernden Beratern beeinflusst, hatte sich Milbradt zunächst demonstrativ auf die Seite der Hartz-IV-Demonstranten gestellt. Vielleicht mag er daran gedacht haben, als Kohl in Chemnitz mahnte: „Wir sollten klar unsere Position vertreten, auch wenn tagespolitische Winde uns einen Augenblick ins Gesicht wehen.“ Doch Milbradt ist ohnehin längst auf die Linie der Bundes-CDU eingeschwenkt: „Grundsätzlich ist die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe richtig“, sagt er den Delegierten. Die Bundesregierung mache aber zwei gravierende Fehler. Sie fordere viel von den Arbeitslosen, fördere sie aber nicht. Und sie kläre sie nicht auf. Die Antworten erhielten die Menschen dann von Extremisten.

Milbradt macht kein Hehl daraus, dass er den Anspruch hat, Sachsen an die Spitze der Republik zu führen. Vielfach steht sie bereits dort: beim Wirtschaftswachstum, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei der Erwerbstätigenquote. Und Milbradt wirbt für staatliche Lohnkostenzuschüsse als Beschäftigungsmotor: „Lasst uns Zuschüsse für Arbeit zahlen statt Sozialhilfe fürs Nichtarbeiten.“

Dass Sachsen in Ostdeutschland schon lange den Ton angibt, führt Milbradt auf einen ebenso schlichten Zusammenhang zurück: „Wo es gut läuft, regiert die CDU, wo es schlechter läuft die SPD, wo es ganz schlecht läuft die PDS.“ Doch in seiner Rede offenbarte Milbradt auch, dass er sich am meisten vor den Grünen zu fürchten scheint: „Nicht nur für den Lachs in der Elbe, sondern für alle Sachsen haben sich die Lebensbedingungen grundlegend verbessert. Und der Lachs in der Elbe ist auch ohne die Grünen zurückgekommen.“

Von 45 auf 48 Prozent hat sich Sachsens CDU in den Umfragen wieder erholt. Von den 57 Prozent bei der Wahl 1999 ist sie weit entfernt. Die Grünen liegen an der magischen Fünf-Prozent-Schwelle, die SPD erneut bei nur elf Prozent. Noch größere Gefahr als von der PDS, die derzeit auf 24 Prozent käme, geht für Milbradt aber offensichtlich von einem drohenden Einzug der NPD in den Landtag aus. Sie liegt, gleichauf mit der FDP, bei vier Prozent: „Einen größeren Investoren- Schreck gibt es überhaupt nicht.“

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