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Gedenken. Vor Fotos der Absturzopfer wird in Warschau ein Kreuz aufgerichtet. Foto: AFP

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Politik: Fragen der Ehre

Polen will an der Beisetzung Lech Kaczynskis am Sonntag festhalten – doch der Streit um den Ort geht weiter

Die Beisetzung des tödlich verunglückten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski findet trotz der Aschewolke über Europa wie geplant statt. Es sei der Wunsch der Familie, die Trauerfeier „unter keinen Umständen“ zu verschieben, sagte der stellvertretende Leiter des polnischen Präsidentenstabs, Jacek Sasin, am Freitag in Warschau. Eine Änderung des Programms würde die Ehre der Toten verletzen. Auf die Frage, ob die Beisetzung ohne ausländische Gäste stattfinden könnte, erwiderte Sasin: „Das Begräbnis des Präsidentenpaares ist für uns am wichtigsten.“ Er hoffe aber, dass die Auslandsdelegationen kommen könnten. Kaczynski und seine Frau Maria sollen am Sonntag in der Wawel-Kathedrale in Krakau beerdigt werden. Wegen der Aschewolke wurde der Luftraum über Polen am Freitag jedoch in weiten Teilen gesperrt, auch der Flughafen in Krakau machte dicht.

Sasin hatte eine Verschiebung der Beerdigungsfeierlichkeiten deshalb zunächst als „ernsthafte Option“ erwogen. Zu der Trauerfeier werden Gäste aus aller Welt erwartet, darunter US-Präsident Barack Obama, der russische Staatschef Dmitri Medwedew und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ob sie wie geplant anreisen können, ist wegen der Vulkanasche jedoch mehr als fraglich. Ursprünglich sollten am Sonntagmorgen rund 80 Flugzeuge in Krakau landen.

Polens Bischöfe riefen unterdessen zu einem Ende der Debatten um den Beisetzungsort des tödlich verunglückten Präsidentenpaares auf. Das Land brauche angesichts der beispiellosen Katastrophe Einheit und „nationale Würde“ statt „überflüssigen Streit“, mahnten sie in einer am Donnerstagabend verbreiteten Erklärung. Zugleich verteidigte das Präsidium der Bischofskonferenz die Entscheidung, Staatspräsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria am Sonntag in der Krypta der Wawel-Kathedrale zu bestatten. In Krakau demonstrierten am Donnerstagabend den dritten Tag in Folge mehrere hundert Menschen gegen die vorgesehene letzte Ruhestätte der Kaczynskis. In Polen gibt es Vorbehalte gegen die Wawel-Kathedrale als Beisetzungsort, weil dort bislang Könige und Nationalhelden beerdigt wurden. Auch der Deutschlandbeauftragte der Regierung, Wladyslaw Bartoszewski, und der Filmregisseur Andrzej Wajda halten den Ort für unpassend.

Der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz hatte am Dienstag das Begräbnis in der Wawel-Kathedrale gebilligt. Damit habe er dem Wunsch der Familienangehörigen entsprochen, erklärte er. Zur Begründung sagte er, Lech Kaczynski sei „auf heldenhafte Weise ums Leben gekommen, denn er war auf dem Weg nach Katyn, um dort im Namen der ganzen Nation den Märtyrern seine Ehrerbietung zu erweisen“. In dem westrussischen Ort hatte der sowjetische Geheimdienst vor genau 70 Jahren tausende gefangene polnische Offiziere und Intellektuelle ermordet. Polens Bischöfe hatten die Bürger schon unmittelbar nach dem Absturz der Präsidentenmaschine am vergangenen Samstag zur Einheit und Besonnenheit aufgerufen. Zugleich warnten sie vor vorschnellen Schuldzuweisungen.

Am Samstag werden rund eine Million Menschen in Warschau erwartet, wo die Särge aller Opfer im Stadtzentrum auf dem Pilsudski-Platz aufgebahrt sind. Mit einer Messe soll Abschied von den Opfern genommen werden. mit dpa

Knut Krohn[Warschau]

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