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François Hollande im Porträt: Vom "Weichei" zum Präsidenten

Frankreich hat gewählt. Statt Nicolas Sarkozy wird zukünftig der Sozialist François Hollande das Land regieren. Der musste sich seinen Favoritenstatus hart erarbeiten.

„Ich als Präsident…“ Mehrmals wiederholte François Hollande zum Ende der Fernsehdebatte mit Nicolas Sarkozy diesen Satz und jedes Mal fügte er ein Versprechen an. Als Präsident würde er die Franzosen einigen und sie nicht gegeneinander aufbringen, sagte er. Als Präsident würde er nicht Spenden für die Regierungspartei sammeln und nicht die Direktoren der Rundfunk- und Fernsehsender ernennen. Er würde die Unabhängigkeit der Justiz respektieren, den Premierminister ungehindert seines Amtes walten lassen und genauso viele Frauen wie Männer in die Regierung berufen. „Als Präsident würde ich mich stets vorbildlich verhalten“, schloss er.
Nun wird sich Hollande beim Wort nehmen lassen müssen. Am Sonntag wählten die Franzosen den 57-jährigen Sozialisten in einer Stichwahl gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy zu ihrem neuen Präsidenten. Nach François Mitterrand ist er in der Geschichte der V. Republik der zweite Sozialist, der in den Elysée-Palast einzieht.

Sehen Sie hier, was sich am Tag der Stichwahl in Frankreich ereignete:

Welche Hürden musste Hollande überwinden?
Niemand hatte Hollande das Präsidentenamt zugetraut. Man hatte ihn belächelt, für unentschlossen gehalten, ohne Überzeugung und ohne Durchsetzungskraft. Seine freundliche Haltung wurde ihm als Verlegenheit ausgelegt, sein Humor als aufgesetzte Jovialität. Und weil er nie Minister gewesen war und auf internationalem Parkett weder Erfahrungen noch Verbindungen vorweisen konnte, galt er vielen als ungeeignet für das höchste Amt der Republik. Schlimmer noch als Eifersucht oder Hass, die Politiker von Rivalen erfahren, war die Verachtung, die François Hollande von den anderen Führern der Sozialistischen Partei zu spüren bekam.

Sehen Sie hier Bilder aus dem Wahlkampf in Frankreich:

Als „Weichei“ hatte ihn Martin Aubry, die Parteichefin, bezeichnet. Arnaud Montebourg, der Anführer der Parteilinken, hatte ihm „Flamby“, den Namen eines Puddings, als Etikett verpasst, und Dominique Strauss-Kahn, der über seine Sex-Affären gefallene frühere IWF-Direktor und Umfragefavorit der Sozialisten, hatte gedroht, er würde Hollande „den Arm brechen“, sollte er sich ihm in den Weg stellen. Es kam anders. Hollande hat sie alle ausgestochen, erst in der Vorwahl der Linken, jetzt im Triumph über den bisherigen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, der ihm im Wahlkampf die Qualität einer „Null“ bescheinigt hatte.

Welche Wurzeln hat Hollande?
Der Sozialistischen Partei gehört Hollande seit 1979 an. Von seiner Herkunft war ihm der Weg nach links nicht vorgezeichnet. Als Sohn eines Arztes und einer Sozialassistentin wuchs er in einer bourgeoisen katholischen Familie in Rouen in der Normandie auf. Der Vater, der ihn und seinen älteren Bruder Philippe autoritär erzog, war Gaullist, trat aber für ein französisches Algerien ein. Zweimal kandidierte er erfolglos auf der Liste des Rechtsextremisten Tixier-Vignancourt, der auch einen Jean-Marie Le Pen zu seinen Gefolgsleuten zählte, für den Stadtrat. Dass es außer de Gaulle auch noch andere Politiker gab, erfuhr der junge François durch seine Mutter. Sie symphatisierte mit den Sozialisten. Mit ihr hörte er erstmals eine Rede von Mitterrand im Fernsehen. Aus Furcht vor den Kommunisten verkaufte der Vater 1968 seine Praxis und zog nach Neuilly bei Paris, der Prominentenvorstadt, in der auch Nicolas Sarkozy aufwuchs und deren Bürgermeister Sarkozy später wurde.
Während der gleichaltrige Sarkozy, der sich sein Taschengeld als Eisverkäufer aufbesserte, unter Minderwertigkeitskomplexen litt, erlebte der stets zu Scherzen aufgelegte Hollande eine unbeschwerte Jugend. Nach dem Schulbesuch studierte er Rechtswissenschaften und absolvierte noch zwei Eliteschulen, darunter die nationale Kaderschmiede ENA. Dort stieß er zu einem linken Studentenverband, dem auch viele seiner jetzigen Mitstreiter angehörten. Mit seinem Humor und seiner Fähigkeit, aus dem Stehgreif Reden zu halten, verstand er es, einen großen Freundeskreis um sich zu scharen. „Er stand immer im Mittelpunkt“, erinnert sich einer, „aber er war nie der Chef.“

In diesem Kreis lernte er auch Ségolène Royal kennen. Sie wurde seine erste Lebensgefährtin und Mutter vier gemeinsamer Kinder. Zusammen schlossen sie sich 1980 Mitterrand an. Während sie zur Ministerin aufstieg, absolvierte er die Ochsentour. Erst im zweiten Anlauf gelang es ihm 1988, einen von Jacques Chirac beherrschten ländlichen Wahlkreis im Departement Corrèze in Westfrankreich zu erobern, den er bis jetzt im Parlament vertrat. Mit dem Altpräsidenten, der dort seine politischen Wurzeln hat, verbindet Hollande ein auf gegenseitigem Respekt beruhendes Verhältnis. Bei der Wahl am Sonntag wollte Chirac für ihn stimmen.

Rückzug aus dem Rampenlicht und Abmagerungskur

Wie verlief die politische Karriere des neuen Präsidenten?
Die Provinz, das „tiefe Frankreich“, wie es Mitterrand nannte, hat Hollande geprägt. Er hätte auch Minister werden können. 1997 bot sich mit dem Sieg des Sozialisten Lionel Jospin bei der Parlamentswahl dazu eine Chance. Auf Drängen Jospins übernahm er dann aber die Führung der Partei. Der Premier brauchte jemanden, der die auseinander treibenden Parteiflügel zusammenhielt. Da Hollande nicht in die internen Konflikte verwickelt war, galt er ihm als der richtige Mann dafür. Es wurden elf schwierige Jahre für Hollande. Immer wieder durchkreuzten Parteigrößen wie Aubry, Fabius oder Strauss-Kahn die politischen Kompromisse, die Hollande zwischen den rivalisierenden Strömungen schmiedete. Zum Trauma wurde 2005 die Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Gegen Fabius, der den Vertrag aus opportunistischen Gründen ablehnte, verteidigte er das zuvor von der Partei beschlossene Ja, hatte damit aber keinen Erfolg.

Der nächste Rückschlag kam mit der verlorenen Präsidentenwahl 2007. Für die Niederlage wurde auch Hollande verantwortlich gemacht. 2008 drängten die Parteiführer ihn aus dem Amt.

Wie schaffte er die Wende zum Erfolg?
Hollandes Parteiführer wollten eine Erneuerung. Auch Hollande wollte das, aber anders als die Genossen dachten. Er fasste den Entschluss, 2012 zur Präsidentenwahl zu kandidieren. Mit seiner neuen Lebensgefährtin, der bei „Paris Match“ arbeitenden Journalistin Valérie Trierweiler, mit der er schon seit zwei Jahren verbunden war, zog er sich aus dem Rampenlicht zurück, schrieb ein Buch und kam nach einer Abmagerungskur als ein anderer zurück: schlank, dunkler Anzug, getönte Haare, randlose Brille, energisches Auftreten. Der neue Hollande sagt in seinem Wahlprogramm „ich“ statt „wir“, ist kämpferisch, schlagfertig und ironisch. Sarkozy bekam es im TV-Duell zu spüren.

Treu geblieben ist Hollande jedoch seinen politischen Überzeugungen. Als „authentischen europäischen Sozialdemokraten“ bezeichnet er sich. Von dieser Linie sei er nie, irgendwelchen politischen Umständen folgend, abgewichen. „Beständigkeit ist mein Markenzeichen“, schreibt er in seinem Wahlkampfbuch. Darin nennt er François Mitterrand und Jacques Delors, den früheren Präsidenten der EU-Kommission, seine politischen Vorbilder. Die Schwächen, die man ihm als Parteichef vorhielt, seine ruhige Art, sein Pragmatismus und die Bereitschaft zum Kompromiss, sieht er bei der Bewältigung der auf ihn zukommenden neuen Herausforderungen als seine Stärken.
Eigentlich müsste er sich mit Angela Merkel gut verstehen. „Wenn es auf dieser Seite des Rheins jemanden gibt, der der deutschen Kanzlerin ähnelt, dann ist es Hollande“, meint „Le Monde“.

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