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Areva-Chefin Anne Lauvergeon war bei Sarkozy in Ungnade gefallen. Nach der Havarie von Fukushima gilt sie bei Frankreichs Staatschef aber als unersetzlich.

© Reuters

Frankreich: "Atomic Anne" ist wieder da

Anne Lauvergeon zählt zu den mächtigsten Frauen der Welt. Die Chefin von Frankreichs Atomkonzern Areva profitiert von der Katastrophe in Japan.

Es mag zynisch klingen, aber für Anne Lauvergeon bedeutet die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima einen Glücksfall. Die Chefin des französischen Nuklearkonzerns Areva schien schon lange nur noch auf Abruf an der Spitze dieses mächtigen französischen Staatsunternehmens zu stehen, das von der Urangewinnung über den Reaktorbau bis zur Behandlung des nuklearen Mülls einen kompletten Service rund ums Atom anbietet. Bei Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war sie schon lange in Ungnade gefallen. Industrielle und geschäftliche Misserfolge ihres Unternehmens, Streitigkeiten mit Ministern und persönliche Animositäten hatten dazu geführt, dass Sarkozy Anfang des Jahres die Regierung veranlasste, das Verfahren zur Neubesetzung ihres Postens einzuleiten. Davon ist auf einmal keine Rede mehr. Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass der Präsident nun doch der Verlängerung ihres Vertrages zustimmen werde. Sie werde schon in wenigen Tagen offiziell bekannt gegeben, hieß es.

Die plötzliche Wende erklären informierte Kreise in Paris mit der Katastrophe von Fukushima. Sie hat weltweit Fragen nach der Sicherheit der zivilen Atomenergie aufgeworfen, auch in die französische Atomindustrie. In dieser Situation will man nicht auf eine Frau verzichten, die wie keine andere den hohen technischen Standard der französischen Anlagen gegen Kritiker verteidigt hat. Sie jetzt durch einen anderen zu ersetzen, hieße, Frankreichs Interessen in einem entscheidenden Augenblick zu schwächen – so lautet das Kalkül Sarkozys. Als Beweis für das hohe Ansehen der französischen Atomindustrie im Ausland wird die Bitte um technische Hilfen angeführt, die Tepco, der Betreiber des havarierten Kraftwerks von Fukushima, an Areva sowie das französische Atomenergiekommissariat CEA und den staatlichen Elektrizitätskonzern EdF richtete.

In Begleitung von Experten, denen weitere folgen werden, reiste die Areva-Chefin am Mittwoch nach Japan. Am Donnerstag fand sich dort auch Sarkozy ein, der auf der Rückreise von China für fünf Stunden in Tokio Station machte. Frankreichs Präsident hatte sofort nach dem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami am 11. März bei Japans Premierminister Naoto Kan vorgefühlt, um Japan als erster westlicher Staatsmann seine Solidarität höchstpersönlich zu bekunden, war aber von der japanischen Führung zunächst wegen Zeitmangels auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden. Im Beisein der Areva-Chefin sowie der Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet, die ebenfalls nach Japan gereist war, konnte er dies jetzt nachholen und dabei auch diskret auf die Kompetenzen Frankreichs zur Bewältigung der Katastrophe und den später vielleicht folgenden Bau neuer Reaktoren der dritten Generation (EPR) verweisen, die laut Sarkozy zwar „die teuersten, aber auch die sichersten“ sind. Mit demselben Lob über den EPR, der sich bislang erst noch im Bau befindet, aber noch lange keinen Strom liefern wird, wirbt auch die Areva-Chefin für die Zukunft der Nuklearenergie.

Anne Lauvergeon, die mit einem Unternehmer verheiratete Mutter zweier Kinder, war 1974 erstmals mit Fragen der Energieversorgung konfrontiert worden, als ihr Vater, ein Lehrer, nach der ersten Ölkrise die Heizung im Haus auf 19 Grad senkte. Nach einem Philosophiestudium an der Ecole Normale Supérieure absolvierte sie eine Ingenieursausbildung an Ecole des Mines, einer anderen Elitehochschule. 1990 holte sie Präsident François Mitterrand als Wirtschaftsberaterin an seine Seite, 1991 machte er sie zur stellvertretenden Generalsekretärin des Elysée-Palastes. 2001 wurde sie Chefin des aus Fusionen mit anderen Nuklearunternehmen hervorgegangenen Atomkonzerns Areva. Der Konzern beschäftigt 43 000 Mitarbeiter und ist in 43 Ländern präsent. Ihr Gehalt wird von einer Wirtschaftszeitschrift mit 1,12 Millionen Euro im Jahr angegeben.

Das US-Magazin „Forbes“ zählt „Atomic Anne“, wie sie in der angelsächsischen Presse genannt wird, regelmäßig zu den „mächtigsten Frauen“ der Welt. Der deutsche Elektrokonzern Siemens, der an Areva beteiligt war, bekam ihren Machtwillen zu spüren – sie drängte Siemens hinaus. Für ihre Strategie für Areva wirbt sie mit einem Vergleich aus der Konsumwirtschaft. So wie Nestlé Espressomaschinen und dazu das gewünschte Kaffeepulver anbietet, versorge Areva seine Kunden mit Reaktoren und dem dazugehörigen Brennstoff.

Der Erfolg ist nicht immer gesichert. Der Verkauf von vier EPR-Reaktoren im Wert von 20 Milliarden Euro an Abu Dhabi scheiterte. Der Bau der EPR-Reaktoren in Flamanville (Normandie) und Olkiluoto (Finnland) verzögert sich von Jahr zu Jahr und wird immer teurer. Zweifel an der bisher noch nicht bewiesenen Sicherheit des Reaktors lässt sie nicht zu: „Wenn es ihn in Fukushima gegeben hätte, wäre es zu keiner Katastrophe gekommen.“

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