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Frankreich: Atomkraft – warum nicht?

Frankreich ist die größte Atomnation in Europa, der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion liegt bei rund 80 Prozent – und dabei soll es auch bleiben.

Mit einer Mischung aus ernsthaftem Interesse und Unverständnis gegenüber den umweltbewegten Deutschen blicken unsere französischen Nachbarn derzeit über den Rhein. Deutschland will bis 2022 aus der Kernkraft aussteigen – et alors? Mit einem achselzuckenden „Na und?“ wird in weiten Teilen der französischen Öffentlichkeit die deutsche Energiewende zur Kenntnis genommen. Frankreich ist die größte Atomnation in Europa, der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion liegt bei rund 80 Prozent – und dabei soll es auch bleiben. Das legen zumindest die Reaktionen in den meisten französischen Parteien nach dem deutschen Ausstiegs-Beschluss nahe.

Der Slogan „Atomkraft – nein danke“ist in Frankreich ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen offenbar für viele Parteien tabu. Zwar ist auch im Nachbarland die Skepsis gegenüber der Atomkraft seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima gewachsen. Das zeigte sich etwa im April, als der Stadtrat von Straßburg forderte, das störanfällige Atomkraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze stillzulegen. Die Reaktion der Kommunalpolitiker im Elsass macht deutlich, dass Frankreichs Politik inzwischen nicht mehr völlig immun gegen Zweifel an der Kernkraft ist – ganz anders als noch im Jahr 1986, als nach der Explosion von Tschernobyl kaum jemand zwischen Lille und Nizza etwas von Wolken mit radioaktivem Fallout wissen wollte. Heute, 25 Jahre später, sind unter französischen Politikern angesichts der konkreten Berliner Atombeschlüsse zwei Verhaltensweisen an der Tagesordnung: Entweder sie verweisen wie der Chef der Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, voller Überzeugung auf die Bedeutung der Kernenergie für die Wirtschaftskraft ihres Landes. Oder sie ducken sich weg.

Frankreichs Grüne, die bei der Europawahl vor zwei Jahren immerhin über 16 Prozent der Stimmen holten, stimmen der Entscheidung der Bundesregierung, das Ende der Atomkraft einzuläuten, natürlich zu. So spricht Cécile Duflot, die Vorsitzende der Ökopartei „Europe Ecologie – Les Verts“, von der „post-nuklearen Gesellschaft“ als einer logischen politischen Entscheidung. Ihre Zusammenarbeit mit anderen Parteien will Duflot davon abhängig machen, ob die sich ebenfalls zu einer Absage an die Nuklearenergie unter dem Motto „Le nucléaire – non merci“ durchringen können.

Doch genau daran hapert es. Als wichtigster politischer Partner für Frankreichs Grüne gelten die Sozialisten – und die sind in der Frage der Kernenergie gespalten. Parteichefin Martine Aubry hat die deutsche Energiewende ausdrücklich begrüßt. Offen bleibt allerdings, ob sie einen möglichen Ausstieg aus der Atomkraft tatsächlich zum Thema machen würde, falls sie ihre Partei als Kandidatin für die kommende Präsidentschaftswahl nominieren sollte. Chancen auf eine Kandidatur bei der Wahl des Staatschefs im kommenden Jahr kann sich auch der frühere Parteichef der Sozialisten, François Hollande, ausrechnen. Hollande hält es zwar für möglich, dass demnächst weniger Atomstrom aus Frankreichs Steckdosen kommt. Aber ein kompletter Ausstieg kommt für ihn nicht in Frage.

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