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Zu alt für ihren Mann? Brigitte Macron im Elysee-Palast.

© Eric FEFERBERG/AFP

Frankreich: Brigitte Macron verlängert das Verfallsdatum der Frauen – endlich!

Frankreichs neue First Lady ist eine Provokation, und grausam sind die Kommentare, die das belegen. Dabei hat sie nur ein Tabu gebrochen: das Tabu des Alters. Eine Kolumne.

Ein Kommentar von Pascale Hugues

Ihre Kleider sind zu kurz, ihre Beine zu dünn, ihr Bob zu blond, ihre Haut zu gebräunt. Und dann dieser burschikose Gang. Diese High Heels eines jungen Vamp. Diese zerknitterten Hände…

Oh bitte, es reicht! Soll uns in Zukunft bei jedem Staatsbesuch, bei jedem öffentlichen Auftreten diese Liste aufgetischt werden? Soll in den nächsten fünf Jahren jede neue Falte auf dem Gesicht der First Lady Frankreichs gezählt werden? Jedes weiße Haar? Jedes zusätzliche Gramm?

Bis jetzt hat keine einzige französische Präsidentengattin, nicht einmal Carla Bruni, weltweit so viele Kommentare provoziert. Viele sind grausam. Trotz aller gender correctness müssen wir noch heute mit virulentem Sexismus leben. Frauen und Männer sind nicht gleichberechtigt.

Ganz im Gegenteil: Die Blicke sind strenger, wenn sie sich auf die Frauen richten, vor allem, wenn sie gesellschaftlich exponiert sind. Wie oft mussten wir uns Kritiken über Angela Merkel anhören, über ihre Frisur, über die tiefen Mundfalten, ihr Gewicht, ihren Mangel an Chic. Ich bewundere die Gelassenheit der Kanzlerin, die zwei Jahre jünger ist als Brigitte Macron. Angela Merkel ist, wie sie ist. Sie lässt sich von dem Gerede nicht aus der Fassung bringen. Blazer, Hose, flache Schuhe. . . so hat sie das Problem der Garderobe ein für alle Mal gelöst. Und hören Sie nur: Es kommt keine Kritik mehr! Die Kanzlerin hat sich Respekt verschafft.

Für Brigitte Macron wird es schwieriger. Vor allem, weil das Aussehen einer Frau in meinem Land eine größere Rolle spielt und der Chauvinismus als Teil des Nationalcharakters viel weiter verbreitet oder offener zur Schau getragen wird als in Deutschland. Wenn es um Kleidung oder Silhouette einer Frau geht, wird jeder zum Fachmann für guten Geschmack. Zieht sie sich schlicht an, heißt es, sie sei nicht feminin. Zieht sie sich aber sexy an, wird sie im südfranzösischen Dialekt als „cagole“ bezeichnet, eine hirnlose und vulgäre Schlampe. Seltsam, dass es vor allem Frauen sind, die Madame Macron so beschimpfen. Die Angriffe sind so brutal, dass man stutzig wird. Als hätte Brigitte Macron ein Tabu gebrochen: das Tabu des Alters.

Das Wahre an diesen Gerüchten ist: wie verklemmt die Ankläger sind

Denn Brigitte Macron ist eine Provokation. Von ihrem jungen Ehemann trennt sie ein Vierteljahrhundert. So etwas kommt nicht oft vor. Sie ist 64, er 39 Jahre alt. Dieses ungewöhnliche Paar pfeift auf die Konventionen. Und die Experten der Küchenpsychologie erlauben sich unerbetene Diagnosen: Er sucht eine Mama! Sie hat ihn im Griff! Sie liebt Gigolos! Sie soll sich mehr auf ihre Linie achten! Diese Ehe ist nur Fassade. Ist Emmanuel Macron in Wahrheit homosexuell? Das Wahre an diesen Gerüchten ist: wie verklemmt die Ankläger sind. Sie können sich nicht vorstellen, dass dieses Paar Glück in der Liebe und, schlimmer noch, im Bett hat.

Dabei käme kein Mensch auf die Idee, mit dem Finger auf einen älteren und häufig schmerbäuchigen Mann zu zeigen, wenn er sich stolz mit einer sehr jungen Frau am Arm zeigt. Man muss gar nicht groß suchen: Donald Trump und Melania trennen 24 Jahre, und niemand verliert ein Wort darüber.

Wenn eine Frau viel älter als ihr Mann ist, aber auch nach ihrem 60. Geburtstag noch begehrenswert und lebensfroh – dann ist das ein Skandal. Stellen Sie sich doch mal die Kommentare vor, wenn Brigitte Macron mollig wäre, mit Krampfadern und geschwollenen Knöcheln.

„Tausche 40-Jährige gegen zwei 20-Jährige“, wurde am Stammtisch gelästert, als ich ein Kind war. Wir können uns glücklich schätzen, dass das Verfallsdatum von Frauen sich seither stark verlängert hat. Heute ist man mit vierzig Jahren noch jung. Aber 64 und dann einen viel jüngeren Mann lieben… das sollte vielen Frauen passieren.

- Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke

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