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Frankreich debattiert: Was nun, DSK?

Die französischen Genossen haben die Nachricht über die Wende in der Affäre ihres über einen Sex-Skandal gestürzten einst aussichtsreichsten Kandidaten zur Präsidentenwahl 2012 mit einem Gefühl der Genugtuung aufgenommen.

Sie sind erleichtert, glücklich und sogar „sehr glücklich“, wie Martine Aubry, die Parteichefin der französischen Sozialisten sagt. Die Genossen haben die Nachricht über die Wende in der Affäre ihres über einen Sex-Skandal gestürzten einst aussichtsreichsten Kandidaten zur Präsidentenwahl 2012, Strauss-Kahn, mit einem Gefühl der Genugtuung aufgenommen. War dem ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds nicht Unrecht geschehen, als ihn die New Yorker Polizei am 14. Mai unter der Anschuldigung der Vergewaltigung eines Zimmermädchens seines Hotels verhaftete und mit Handschellen gefesselt der Öffentlichkeit zur Schau stellte? Und nun bricht das alles zusammen, weil der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance jr. der Klägerin Nafissatou Diallo nicht mehr glaubt. Selbst Francois Copé, der Generalsekretär der Regierungspartei UMP, lässt es sich da nicht nehmen, Strauss-Kahn und seiner Familie „Sympathie“ zu bezeugen. Doch anders als Copé, der seinen Parteifreunden empfiehlt, in dieser Affäre weiter Zurückhaltung zu üben, zielen einige sozialistische Politiker mit ihren Stellungnahmen schon weit in die Zukunft. Natürlich könne Strauss-Kahn „nach einem Freispruch“ in die französische Politik zurückkehren und politische Ämter übernehmen, sagt Francois Hollande, der frühere Parteichef und derzeitige Favorit für die Primärwahl, mit der die Partei im Oktober ihren Präsidentschaftskandidaten küren will. Ein Mann mit seiner Erfahrung könne noch nützlich sein für Frankreich. Von einem Freispruch oder gar von erwiesener Unschuld kann freilich keine Rede sein. Ohne die Aussage von Zeugen und ohne materielle Beweise wisse außer Strauss-Kahn und dem Zimmermädchen niemand, ob die von dem Staatsanwalt in seinem Bericht konstatierte sexuelle Beziehung zwischen den beiden einvernehmlich oder erzwungen gewesen war, schreibt „Le Monde“. Dieser Zweifel wird die Diskussion über Strauss-Kahns politische Zukunft belasten. Dass er die Absicht haben könnte, sich noch an der Primärwahl seiner Partei zu beteiligen, halten allerdings selbst enge Freunde für unwahrscheinlich. „Der Zug ist abgefahren“, zitiert die Zeitung „Libération“ eine Stimme aus seiner Umgebung. Fraglich ist, ob Strauss-Kahn überhaupt an ein Comeback denkt. In einer Erklärung teilte er zwar mit, er könne es kaum erwarten, nach Hause zurückzukehren. „Die vergangenen Monate waren für mich und meine Familie ein Alptraum“, schrieb er. Er danke „allen Freunden in Frankreich und den USA, die an meine Unschuld geglaubt haben“. Besonders dankte er „Richter Obus und seinen Mitarbeitern“. Zu seinen beruflichen Plänen äußerte er sich hingegen nicht. „Nach diesem Albtraum muss er sich erst einmal wieder zurechtfinden“, mahnte Parteichefin Aubry. „Lassen wir ihm Zeit.“

Zeit wird Strauss-Kahn brauchen. In Paris muss er sich der Klage wegen versuchter Vergewaltigung stellen, die die Schriftstellerin Tristane Banon gegen ihn erhoben hat. Möglicherweise wird das Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Ein Freispruch wäre das nicht. Daneben ist in New York die Zivilklage auf Schadensersatz des Zimmermädchens Diallo anhängig. Das wird sich hinziehen und so lange wird ihm die Rückkehr in die Politik versperrt sein, sofern es dafür überhaupt eine Chance gibt. Denn mit seiner Affäre hat er nicht nur seine Karriere kompromittiert, sondern auch die moralischen Ansprüche an Politiker in Frankreich erhöht. Das zeigt die Affäre des früheren Staatssekretärs Georges Tron. Als die Justiz kürzlich ein Untersuchungsverfahren wegen Vergewaltigung zweier Mitarbeiterinnen gegen ihn eröffnete, warf ihn Präsident Nicolas Sarkozy umgehend aus der Regierung. hhb

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