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Frankreich: Der großmütige Sieger

Nicolas Sarkozy verspricht, Präsident aller Franzosen zu sein Respekt für die Ideen seiner Rivalin Royal ist eingeschlossen

Es ist ein triumphaler Sieg. Aber Nicolas Sarkozy, der soeben zum sechsten Präsidenten der V. Republik gekürt wurde, kostet ihn nur verhalten aus. Lange bleibt er in dem Konzertsaal im 8. Arrondissement von Paris, in dem er seine Erklärung zum Wahlausgang abgeben will, hinter den Kulissen. Dann tritt er unter den ohrenbetäubenden „Nicolas“-Rufen seiner Anhänger, die sich die Zeit bis dahin mit dem Singen der Marseillaise vertrieben haben, auf die Bühne tritt.

Mit ernstem Gesicht, das sich nur manchmal zu einem Lächeln öffnet, blickt er in die Menge. Manchmal nickt er Bekannten zu und einmal winkt er jemandem auf der Empore. „Es ist ein außergewöhnlicher Augenblick im Leben eines Mannes“, beginnt er seine Ansprache in einem Ton, dem man anmerkt, dass er die Last der Verantwortung spürt, die nun auf ihm liegt. Er spricht vom „Stolz auf die große, alte, schöne Nation“, den er empfindet. Sagt, dass er Frankreich „liebt“ und dass er sich der Aufgabe „würdig“ erweisen will, „die Geschicke Frankreichs zu leiten“.

Wort für Wort hat er die Rede vorbereitet und sich auch auf die Reaktion eingestellt, die ihm bei der Erwähnung des Namens seiner unterlegenen Rivalin, der sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal in aufkommenden Buhrufen entgegenschlägt. Doch mit einer kurzen Handbewegung bringt er die Rufer zum Schweigen. „Ich bezeuge ihr und ihren Ideen Respekt“, ruft er seinen Zuhörern zu. „Es sind die Ideen, in der sich viele Franzosen wiedererkennen“, sagt er, „der Respekt vor Ségolène Royal ist der Respekt vor Millionen Franzosen.“ Dann fügt er hinzu, dass er den Franzosen den Stolz auf ihr Land zurückgeben will und dass er mit allen Landsleuten gegen Intoleranz und Sektierertum kämpfen wolle. „Ich werde der Präsident aller Franzosen sein“, verspricht er.

So großzügig hat noch kein siegreicher Präsidentschaftskandidat gesprochen, aber auch nicht so entschlossen. Das klingt auch in dem Wort an, das er zum Schluss an die europäischen Partner und an die USA richtet. „Ich glaube aufrichtig an Europa“, sagt er, „aber ich beschwöre unsere europäischen Partner, sich nicht taub gegenüber dem Zorn der Völker zu stellen, die Europa als Trojanisches Pferd und nicht als Schutz empfinden.“ Ähnlich warnt er auch die USA, als deren Partner er sich bekennt, die er aber „als große Nation“ auffordert, den Kampf gegen neue Gefahren wie den Klimawandel „nicht zu obstruieren“.

Noch bevor er von seinem Wahlkampfhauptquartier zu dem von einer riesigen Menschenmenge umlagerten Konzertsaal fuhr, hatte Sarkozy die unterlegene Sozialistin angerufen. Was er ihr in dem Gespräch sagte, konnte man sich nach dieser Fernseherklärung durchaus vorstellen. Und dass es bei Ségolène Royal richtig ankam, spiegelte sich möglicherweise in dem fast heiteren Lächeln wider, mit dem sie kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung um 20 Uhr im Lateinamerika-Haus am Boulevard St. Germain vor die Kameras trat. Auch hier wartet eine unübersehbare Menschenmenge auf sie, die trotz ihrer Niederlage den Ruf „Ségolène Présidente“ skandiert.

Und sie lächelt. Lange blickt sie in die Menge, die ihr zujubelt. So gelöst hat man sie in den letzten Wahlkampftagen nicht gesehen, als sie mit aller Kraft versuchte, den absehbaren Ausgang noch zu wenden. Vielleicht spiegelt sich darin eine Erleichterung, dass sie nach allem, was die Umfrageinstitute zum Schluss vorausgesagt hatten, doch noch ein achtbares Ergebnis erzielt hat. An die 17 Millionen Wähler, die für sie gestimmt haben, wendet sie sich. „Ich ermesse ihre Enttäuschung und ihren Schmerz.“ Aber etwas habe sich entwickelt, eine tiefe Veränderung der Politik sei eingeleitet, und die werde weitergehen. „Ich werde weiter kämpfen - mit ihnen und für sie.“ Es sind Worte, mit denen Royal ihren Anspruch anmeldet, schon bei der im Juni anstehenden Parlamentswahl den Kampf der Sozialisten anzuführen.

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