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Mohammed-Karikaturen: Frankreich im Fadenkreuz

Der Wortkrieg um die Mohammed-Karikaturen dänischer Zeichner hat auch in Frankreich Folgen. Der Chef des Blattes "France Soir" wurde von seinem ägyptischen Verleger entlassen, weil er die Karikaturen nachdrucken ließ.

Paris - Schlimmer noch: Bis an die Zähne bewaffnete palästinensische Kämpfer erklärten am Donnerstag nicht nur Dänen, sondern auch alle Franzosen in ihrem Herrschaftsgebiet «zum Ziel».

Verwundert reibt man sich in Frankreich die Augen: Zeitungen in Deutschland, Italien und anderswo hatten die Karikaturen ohne Folgen auch nachgedruckt. Die französischen Medien berichten sachlich und zurückhaltend über den Konflikt. Niemand will Öl ins Feuer gießen. Die Proteste der Muslime werden zwar nicht gebilligt, aber doch mit Verständnis aufgenommen. Nur «France Soir» macht den Bilderstreit auch am Donnerstag erneut zum Aufmacherthema - ohne dabei die Entlassung des Verlagsleiters Jacques Lefranc zu erwähnen. Die Zeitung kämpft ums Überleben und nutzt jede Chance, auf sich aufmerksam zu machen.

Mit spitzen Fingern packt das selbst ernannte Mutterland der Freiheit das heiße Eisen an. Frankreich sei ein Land der Toleranz und Meinungsfreiheit, erklärte das Außenministerium. Doch: «Es verurteilt alles, was die Einzelnen in ihrem Glauben oder ihrer religiösen Überzeugung verletzen kann.» Für den Nachdruck der Karikaturen sei allein «France Soir» verantwortlich.

Auch in der französischen Gesellschaft löste die Zeitung keine Welle der Solidarität aus. Nicht nur der Muslim-Dachverband CFCM wertete die Karikaturen als «Provokation», die Hass und Rassismus förderten. Die Antirassismus-Vereinigung MRAP verglich die Bilder gar mit den judenfeindlichen Karikaturen der Nazis. Der Rabbiner Michel Serfaty sprach von einer «sinnlosen Provokation», auch christliche Geistliche verwahrten sich gegen die Verunglimpfung des Glaubens.

Dabei sind die dänischen Zerrbilder im Vergleich zu Abbildungen von Gott oder Jesus in französischen Magazinen wie «Fluide Glaciale» eher harmlos. Ein Jesus in Reizwäsche würde in Paris keine Debatte auslösen. Doch in den brodelnden Einwanderervierteln gehen jetzt im Karikaturenstreit die Wogen hoch. «Unsere Religion wird erniedrigt», erregt sich Karim (35) aus Paris-Belleville. «Unsere uralte Kultur wird mit Füßen getreten.» Bin Laden dürfe man karikieren, sagt sein Kumpel Mohamed, aber nicht den Propheten. «Er ist heilig.»

Frankreich kommt der Karikaturenstreit äußerst ungelegen: Die alte «Arabienpolitik» liegt in Scherben, das Verhältnis zu Israel ist schwierig und der Atomstreit mit Iran machte die Abhängigkeit von den islamischen Ölstaaten wieder bewusst. Zudem sieht das Land sich im Visier algerischer Muslim-Terroristen und erkennt mit Schrecken eine Islamisierung der Vorstädte, in denen es 2005 wochenlange Unruhen gegeben hatte. Niemand will daher eine Eskalation des Bilderstreits. Dankbar empfing der Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, am Donnerstag den dänischen Botschafter zu einem «herzlichen Gespräch», um «die Gemüter zu beruhigen». «Wir haben beide festgestellt, dass unser Planet für solchen Streit zu klein geworden ist», sagte Botschafter Niels Egelund anschließend. (Von Hans-Hermann Nikolei, dpa)

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