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Politik: Frankreich in Unruhe

Der öffentliche Dienst streikt, die Küstenfischer sind wütend

Gleich auf mehreren Seiten sieht sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy derzeit mit sozialen Protesten konfrontiert. Mehrere zehntausend Beschäftigte von Bahn und öffentlichen Nahverkehrsbetrieben, von Gas- und Elektrizitätsversorgung sowie von Post, Télécom und Rundfunk demonstrierten am Donnerstag landesweit gegen Rentenpläne der Regierung. Zu den vor allem im Pariser Raum befürchteten größeren Verkehrsstörungen kam es jedoch nicht. In mehreren Hafenstädten setzten die Küstenfischer ihre in den Vortagen unternommenen Aktionen gegen die Treibstoffverteuerung fort. Am Sonnabend wollen die Lehrer, die bereits vergangene Woche gegen den Fortfall von Stellen im Schuldienst streikten, erneut auf die Straße gehen.

Um die aufgebrachten Fischer zu beruhigen und zu einer Beendigung der mit ihren Streiks verbundenen Blockaden von Treibstoffdepots und Häfen zu bewegen, hatte die Regierung den Fischern am Mittwochabend eine Subvention von 110 Millionen Euro zugesagt, die bis zum Ende des Jahres als Ausgleich für die gestiegenen Treibstoffpreise gezahlt werden sollen. Diese Soforthilfe erscheint vielen in ihrer Existenz bedrohten Fischern, die eine Senkung des Dieselölpreises von knapp 80 auf 40 Cent je Liter fordern, ungenügend. In Versammlungen in La Rochelle und anderen Häfen votierten sie am Donnerstag entgegen der Empfehlung ihrer Verbandsvertreter für weitere Aktionen. Dabei kam es auch zu Gewalttätigkeiten wie in Saint-Quay-Portrieux in der Bretagne, wo das Büro der Hafenmeisterei verwüstet wurde. „Man kann die Fischer nicht allein lassen“, hatte Landwirtschaftsminister Michel Barnier die Hilfe der Regierung begründet. Ob sie dem Berufsstand tatsächlich beistehen kann, ist jedoch fraglich, da am Donnerstag bereits wettbewerbsrechtliche Bedenken der EU-Kommission gegen die Subvention laut wurden.

Am Streik gegen die Rentenreform beteiligten sich nach einer Übersicht der betroffenen Unternehmen im Schnitt nur 15 bis 30 Prozent der Beschäftigten. In Paris blieb der Nahverkehr daher weitgehend von Arbeitsniederlegungen verschont. Zu Störungen kam es dagegen in Marseille und anderen großen Städten. Bei der Bahn fiel jeder zweite Regionalzug und jeder dritte TGV aus. Im Flugverkehr kam es zu Verspätungen und vereinzelt zu Streichungen.

Die Proteste, die laut einer Umfrage von sechs von zehn Franzosen unterstützt werden, richten sich gegen die Absicht der Regierung, die Beitragszeit in der sozialen Rentenversicherung bis 2012 um ein Jahr auf 41 Jahre anzuheben. Ein entsprechender Grundsatzbeschluss war bereits 2003 von der vorigen Regierung gefasst worden. Die Gewerkschaften verlangen eine Revision dieses Vorhabens. Sie verweisen darauf, dass viele Unternehmen ältere Beschäftigte schon im Alter von 50 Jahren in den Ruhestand verabschieden. Eine Vollrente sei damit für viele Arbeitnehmer künftig illusorisch, da die Erhöhung der Beitragszeit de facto zu einer Rentenkürzung führte.

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