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Politik: Frankreich: Krieg der Kekse

Der französische Premierminister Lionel Jospin wurde grundsätzlich. "Politik besteht darin, Probleme zu lösen und Sinn zu vermitteln", teilte Jospin den Franzosen zur Primetime im Fernsehen mit.

Der französische Premierminister Lionel Jospin wurde grundsätzlich. "Politik besteht darin, Probleme zu lösen und Sinn zu vermitteln", teilte Jospin den Franzosen zur Primetime im Fernsehen mit. Doch seit Anfang April hat der pragmatische Sozialist ein Problem am Hals, das sich selbst zur Sinnfrage ausweiten könnte: Fast täglich werden in Frankreich neue Sozialpläne und Werksschließungen bekannt. Und die Franzosen sind immer weniger bereit, den Arbeitsplatz-Abbau in einer florierenden Wirtschaft mit satten Dividenden und hohen Profiten hinzunehmen.

Dass die Geduld der Arbeitnehmer abnimmt, musste Jospin schon im Jahr 1997 kurz vor seiner Wahl erfahren: Der teilstaatliche Autokonzern Renault kündigte die Schließung eines Werks im belgischen Vilvoorde an, Massenproteste waren die Folge. Doch Jospin fügte sich der Unternehmensentscheidung - wie auch 1999, als der französische Reifenhersteller Michelin eine Gesundschrumpfung bekannt gab. Die Arbeitnehmer sollten "nicht alles vom Staat erwarten", erklärte der pragmatische Sozialist Jospin damals - und zog sich den Unmut seiner kommunistischen Koalitionspartner zu.

Nun schlägt der Unmut in Widerstand um. Nach spektakulären Sozialplänen bei der britischen Handelskette Marks & Spencer und dem französischen Lebensmittelkonzern Danone brachten die Kommunisten 15 000 Menschen auf die Straße. Zuvor hatten sie gemeinsam mit sozialistischen Abgeordneten zum Boykott von Danone-Joghurts und -keksen aufgerufen. "Wenn die Welt der Arbeit und die Bürger aufwachen, dann müssen sich die Arbeitsplatz-Vernichter an der Börse Sorgen machen", frohlockt Kommunistenchef Robert Hue. Der Genosse steht nicht allein: Auch die extreme Linke, Grüne und Teile der Gewerkschaften machen gegen die "Diktatur der Aktionäre" (Hue) mobil.

Der Druck zeigt Wirkung: Arbeitsministerin Elisabeth Guigou hat eine drastische Verschärfung des französischen Arbeitsrechts angekündigt. Großunternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten sollen künftig verpflichtet werden, von Sozialplänen betroffene Arbeitnehmer umzuschulen. Außerdem sollen sie einen Beitrag zur "Reindustrialisierung" eines stillgelegten Unternehmens-Standorts leisten. Die Arbeitsaufsicht soll das Recht erhalten, Sozialpläne abzulehnen und geplante Entlassungen auf Eis zu legen.

Doch die Hoffnung der Regierung, mit diesen administrativen Schikanen Ruhe an der Sozialfront zu erkaufen, erfüllte sich nicht. Nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch Kommunisten, Grüne und der linke Flügel der Sozialisten sind unzufrieden mit Guigous "eilig zusammengestricktem Plan" (die gemäßigte CFDT-Gewerkschafterin Nicole Notat). Zudem rechnet man in Paris mit neuen Entlassungen beim Hausgerätehersteller Moulinex und der Fluggesellschaft AOM-Air Liberté. Der drohende Verlust von mehreren tausend Jobs dürfte die Stimmung weiter aufheizen.

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