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Frankreichs künftiger Präsident Francois Hollande übernimmt am 15. Mai die Amtsgeschäfte von Nicolas Sarkozy.

© AFP

Frankreich nach der Wahl: Hollande: Metamorphose eines Kandidaten

Für Frankreichs künftigen Präsidenten François Hollande wird es wohl keine Schonfrist geben. Aber im Elysée-Palast dürfte er noch ein wenig Wahlkampf betreiben - denn im Juni stehen Parlamentswahlen an.

Für François Hollande gibt es keine Atempause. Zwar kostete er am frühen Montagmorgen seinen Wahlsieg gemeinsam mit Zehntausenden Anhängern auf dem symbolträchtigen Pariser Platz der Bastille aus. An diesem Ort war schon François Mitterrand, der letzte Sozialist im französischen Präsidentenamt, 1981 nach seinem Wahlerfolg bejubelt worden. Hier schwor nun Hollande seine Anhänger schon auf den nächsten Wahlkampf ein. Frankreichs künftiger Präsident forderte vom Parteivolk der Linken, weiter alle Kräfte zu mobilisieren, denn am 10. und 17. Juni stehen Parlamentswahlen an.

Diese Termine sind für den Sozialisten Hollande mindestens genauso wichtig wie das demnächst in Berlin geplante Treffen mit Angela Merkel, bei dem er der Kanzlerin wird erläutern müssen, wie er sich eine Ergänzung des europäischen Fiskalpakts genau vorstellt. Dass Hollande trotz seines Triumphs über den scheidenden Staatschef Nicolas Sarkozy die Pose des Wahlkämpfers auch in den nächsten Wochen nicht komplett ablegen kann, hat seinen guten Grund: Falls Sarkozys Regierungspartei UMP bei den Wahlen im Juni ihre Mehrheit im Parlament verteidigen kann, wäre Hollandes Sieg um Rennen um die Präsidentschaft nur noch die Hälfte wert. Denn in diesem Fall müsste der künftige Staatschef mit einem konservativen Premierminister zusammenarbeiten.

Die Franzosen nennen diesen speziellen Fall der politischen Zusammenarbeit zwischen einem Präsidenten und einem Premier, die aus gegnerischen politischen Lagern kommen, „Kohabitation“. Eine solche Konstellation hat es in der gegenwärtigen Fünften Republik mehrmals gegeben. Deutsche Außenpolitiker erinnern sich etwa mit Schrecken an die Zeit zwischen 1997 und 2002, als der Neogaullist Jacques Chirac im Elysée-Palast regierte, während dessen sozialistischer Premier Lionel Jospin dessen Politik zu durchkreuzen versuchte: Sagte der eine Hü, dann sagte der andere Hott.

Ganz ausschließen lässt sich die ungeliebte „Kohabitation“ auch diesmal nicht. Gleich in der Nacht von Hollandes Wahlerfolg wurden Umfragen veröffentlicht, wonach es in der ersten Runde der Parlamentswahl zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Sozialisten und Sarkozys UMP kommen könnte. Den Prognosen zufolge würden die Sozialisten einen Anteil von 31 Prozent der Stimmen erreichen, dicht gefolgt von der konservativen UMP mit 30 Prozent.

Hollande wird also in den nächsten Wochen diese Umfragewerte genau im Blick behalten – und muss gleichzeitig die Metamorphose zum Präsidenten hinbekommen. Schon an diesem Dienstag wird er in Paris an den Champs-Elysées neben Sarkozy an einer Gedenkfeier zum Ende des Zweiten Weltkriegs teilnehmen. Am 15. Mai wird ihm Sarkozy feierlich die Amtsgeschäfte übergeben, anschließend führt ihn seine erste Auslandsreise nach Deutschland.

In der Zwischenzeit muss Hollande eine erste Entscheidungen treffen – die Ernennung seines Premierministers. Als Favorit gilt der ehemalige Deutschlehrer Jean-Marc Ayrault, der bislang die Fraktion der Sozialisten in der Nationalversammlung geführt hat. Eine Ernennung des Germanophilen Ayrault dürfte in Berlin mit Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen als positives Signal ankommen. Zu denen, die sich Hoffnungen für das Premierminister-Amt machen, gehört auch die frühere Arbeitsministerin und Tochter des ehemaligen EU-Kommissionschef Jacques Delors, Martine Aubry – gegen die Parteilinke spricht aber, dass sie nicht zu Hollandes Vertrauten gehört.

Unterdessen geht die UMP ohne ihr einstiges Zugpferd Nicolas Sarkozy in den Parlaments-Wahlkampf. Wer die Partei künftig führen wird, ist völlig offen. Beobachter halten es für möglich, dass es nach der Parlamentswahl zu Diadochenkämpfen um Sarkozys Nachfolge kommt. So setzt sich etwa Partei-Generalsekretär Jean-François Copé für eine liberalkonservative Linie ein, während der derzeitige Premier François Fillon einen sozialeren Kurs vertritt. Als Horror-Szenario gilt eine Spaltung der UMP. Denn darüber würde sich vor allem eine Politikerin freuen: Marine Le Pen, die Chefin der rechtsextremen Front National. Käme es zu einem Zerfall der UMP, wäre sie urplötzlich die Führungsfigur auf der rechten Hälfte des politischen Spektrums.

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