zum Hauptinhalt

Frankreich: Nationalversammlung billigt Liberalisierung bei Abtreibungen

Frauen können in Frankreich in den ersten Schwangerschaftswochen auch dann eine Abtreibung vornehmen, wenn keine Notlage vorliegt. Nach dem Anti-Prostitutions-Gesetz stellt die Novelle einen weiteren Coup für die Frauenrechtsministerin Najat Vallaud-Belkacem dar.

Abtreibungen in den ersten Schwangerschaftswochen bleiben in Frankreich künftig auch ohne Notlage der betroffenen Frauen straffrei. Die Nationalversammlung in Paris änderte am Dienstagabend mit Mehrheit der regierenden Linken einen entsprechenden Passus in der seit 1975 geltenden Fristenregelung.
Danach können Frauen eine Abtreibung vornehmen lassen, wenn sie „die Schwangerschaft nicht fortsetzen wollen“. Bisher war dies nur möglich, wenn sich die Betroffene „in einer Notlage“ befand.
Vor einer Abtreibung müssen Frauen sich in Frankreich von einem Mediziner beraten lassen. Der Eingriff kann dann nach einer Bedenkfrist vorgenommen werden. In Frankreich werden jährlich rund 220 000 Schwangerschaften per Abtreibung beendet, in Deutschland sind knapp halb so viele Eingriffe gemeldet.

Die Novelle, mit welcher der Begriff der „Notlage“ aus der Regelung von 1975 getilgt wird, ist Teil eines Gesetzesprojektes von Frauenrechtsministerin Najat Vallaud-Belkacem zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Vallaud-Belkacem ist mit 36 Jahren die Jüngste im Kabinett des Premierminister Jean-Marc Ayrault. Weil sie gleichzeitig auch noch Regierungssprecherin ist, zählt sie trotz ihres noch jungen Alters zu den wichtigsten Personen im Umfeld des französischen Präsidenten François Hollande.
2012 hatte Vallaud-Belkacem gemeinsam mit Justizministerin Christiane Taubira ein neues Gesetz gegen sexuelle Belästigung durchs Parlament gebracht. In dem Gesetz geht es um die Ahndung von sexueller Belästigung in ihren unterschiedlichen Formen – etwa bei der Arbeit, auf der Straße oder in der Schule. Ende des vergangenen Jahres verabschiedete die Nationalversammlung dann ein Gesetz, wonach Freier mit einer Geldstrafe von bis zu 1500 Euro rechnen müssen, wenn sie Sex kaufen. Auch dieses Gesetz gegen die Prostitution geht vor allem auf die Initiative von Najat Vallaud-Belkacem zurück.

Das Ministeramt war der 36-Jährigen nicht in die Wiege gelegt

Der Aufstieg ins Amt der Frauenrechtsministerin, welches bis zu ihrem Amtsantritt jahrzehntelang nicht als eigenständiges Ressort existierte, war Vallaud-Belkacem keineswegs in die Wiege gelegt. In Marokko geboren, kam sie im Alter von vier Jahren nach Frankreich. Damals zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter ihrem Vater nach Frankreich nach, der in Abbeville in der Picardie auf dem Bau arbeitete.
Ihre Entscheidung, für die Sozialisten Politik zu machen, geht vor allem auf den politischen Beinahe-Crash zurück, den die Franzosen bei den Präsidentschaftswahlen 2002 verursachten: Sie beförderten damals den Vorsitzenden der rechtsextremen Front National, Jean-Marie Le Pen, in die Stichwahl und schlugen den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin aus dem Rennen. Schon fünf Jahre später wurde Vallaud-Belkacem bei der folgenden Präsidentschaftswahl Sprecherin der damaligen sozialistischen Bewerberin, Hollandes früherer Lebensgefährtin Ségolène Royal. Und wieder fünf Jahre später beauftrage sie Hollande mit der Medienarbeit während seiner eigenen Präsidentschaftskampagne. Bekanntlich ging Hollande – vor allem wegen der weit verbreiteten Abneigung gegen den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy – siegreich aus dem Rennen hervor. Und damit war auch Vallaud-Belkacem ein prominenter Platz Hollandes Equipe sicher. (mit dpa)

Zur Startseite