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Frankreich: Schmutzige Tricks vor Präsidentschaftswahl?

Der Kampf um Frankreichs Präsidentschaft droht zu einer Schlammschlacht zu werden. Der Geheimdienst soll das Umfeld Ségolène Royals ausgespäht haben - für den Konkurrenten Nicolas Sarkozy.

Paris - Zwei greifen nach der Macht. Ist dem Einen dabei fast jedes Mittel Recht, um die Andere zu schlagen? Diese Frage stellt sich Frankreich angesichts einer Affäre, die einem Polit-Thriller entspringen könnte: Geheimdienstler haben das Umfeld der sozialistischen Ex-Umweltministerin Ségolène Royal ausgespäht - angeblich für den konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy. Sarkozy weist den Vorwurf schmutziger Tricks als "völlig lächerlich" zurück. Doch der Opposition ist gar nicht zum Lachen zumute, zumal bei der Präsidentschaftswahl in wenigen Wochen alle letztlich ein Duell zwischen "Sarko" und "Ségo" erwarten.

Wie oft in Frankreich brachte "Le Canard Enchaîné" die Geschichte als erster: Auf Weisung aus Sarkozys Kabinett, so meldete das Enthüllungs- und Satireblatt, spionierten sechs Mitarbeiter des Polizei-Geheimdienstes Renseignements généraux (RG) den neuen Umwelt-Berater von Royal aus. Bruno Rebelle, der frühere Frankreich-Chef von Greenpeace, schloss sich gerade erst dem Wahlkampf-Team an, das die Sozialistin Royal zu Frankreichs Präsidentin machen soll. Dem Bericht zufolge erging umgehend der Befehl aus dem Innenministerium, in seiner Vergangenheit nach belastendem Material zu wühlen. Im Klartext bedeutet dies: Der Posten von Frankreichs oberstem Polizisten wurde missbraucht, um seiner Rivalin zu schaden.

"Methoden, die eines Fouché würdig sind"

Mehrere Quellen am Innenministerium hätten diese Information bestätigt, berichtete die Hauptstadt-Zeitung "Le Parisien". Rebelle, der inzwischen Strafanzeige stellte, sagte dem Blatt, die RG-Agenten hätten selbst in den Justizakten zu seiner Scheidung gewühlt, um zu sehen, "ob es keine Gewalt in der Ehe gegeben habe". Die Sozialisten schäumen. Ex-Kulturminister Jack Lang, selbst Mitglied in Royals Wahlkampfteam, fordert mit anderen Sarkozys Rücktritt. Lang beklagt "Methoden, die eines Fouché würdig" seien - jenes Joseph Fouché, der zu den berüchtigsten Anführern der Französischen Revolution zählte und als Polizeiminister unter Napoléon Bonaparte ein landesweit gefürchtetes Spitzelsystem errichtete.

Sarkozys Kabinett verbreitet ein förmliches Dementi, das sich bei näherem Hinschauen allerdings weniger eindeutig liest: Aus dem Kabinett sei kein Auftrag zu Ermittlungen im Umfeld von Royal an die Zentraldirektion der RG gegangen. Nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind Vorgaben an andere Stellen der RG, die sich offiziell seit Jahren nicht mehr mit Politikern befasst. Der mit Royal verbündete Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement geht zumindest von vorauseilendem Gehorsam aus: Er wolle zwar glauben, dass Sarkozys Kabinett keine Ermittlungen angeordnet habe, sagte Chevènement. Doch Geheimdienstler versuchten stets, mögliche Wünsche ihres Ministers vorwegzunehmen.

Sarkozy als Wahlschiedsrichter

Wie Chevènement fordern immer mehr Oppositionsvertreter, dass Sarkozy sein Ministeramt aufgeben soll. Sie halten dem Chef der Regierungspartei UMP, der am Sonntag 52 Jahre alt wird, vor, seine zahlreichen Dienstreisen im In- und Ausland zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Zudem fällt die Organisation der Wahlen in die Zuständigkeit des Innenressorts; Sarkozy ist also bislang gleichzeitig Schiedsrichter und einer der Akteure.

Angesichts des ganzen Ärgers suchen Sarkozys Mitarbeiter nach Angaben der Pariser Zeitung "Le Monde" nach dem bestmöglichen Abgang. Während der Kandidat Sarkozy versucht, ganz Frankreich von den Arbeitern bis hin zu den Unternehmern für sich zu gewinnen, soll der Minister Sarkozy laut "Le Monde" nicht das unangenehme "Bild eines Mannes hinterlassen, der alles kontrollieren will".

Zumindest einer reibt sich öffentlich die Hände: Der Chef der zentrumsliberalen UDF, François Bayrou, findet die Bespitzelung Rebelles "einer normalen Demokratie unwürdig". Mit ihm als Staatschef werde es eine "ehrliche Republik" geben, verspricht Bayrou. Der frühere Bildungsminister erntet zunehmend Rückhalt: In einer Wahlumfrage landete er gerade mit 13 Prozent der Stimmen auf Rang drei hinter Sarkozy und Royal - Tendenz steigend.

(Von Reinolf Reis, AFP)

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