zum Hauptinhalt

Politik: Frankreich verlangt systematische BSE-Kontrollen - eine Kennzeichnungspflicht allein reiche nicht aus

Die französische Regierung bemüht sich um eine Entspannung der neuen "Rindfleischkrise" mit London und Brüssel. Paris habe sich "mit Bedauern" für eine Aufrechterhaltung des Embargos gegen britisches Rindfleisch entschieden, sagte Außenminister Hubert Védrine.

Die französische Regierung bemüht sich um eine Entspannung der neuen "Rindfleischkrise" mit London und Brüssel. Paris habe sich "mit Bedauern" für eine Aufrechterhaltung des Embargos gegen britisches Rindfleisch entschieden, sagte Außenminister Hubert Védrine. Den Ausschlag habe ein Gutachten der französischen Nahrungsmittelagentur AFSSA gegeben, derzufolge britisches Beef weiter ein "plausibles Riskio" birgt. Frankreich werde jedoch "alles tun, um diese Krise zu begrenzen", betonte der Chefdiplomat.

Ähnlich äußerte sich Premierminister Lionel Jospin. Bereits am Mittwochabend hatte Jospin seinen britischen Amtskollegen Tony Blair angerufen, um ihn persönlich über die Entscheidung zu informieren. Er mache sich keine Sorgen um die britische Reaktion, erklärte Jospin gestern. Frankreich stehe mit seinem Embargo nicht allein. Vierzig weitere Länder lehnten die Einfuhr britischen Rindfleischs ab, darunter auch Deutschland.

Agrarminister Jean Glavany betonte, dass Paris weiter zu Gesprächen mit London und Brüssel bereit sei. "Im Interesse der französischen, britischen und europäischen Verbraucher müssen wir weiterdiskutieren", sagte Glavany. Dabei gehe es um zweierlei: Zum einen müsse das britische Rindfleisch systematisch mit BSE-Tests auf seine gesundheitliche Unbedenklichkeit getestet werden. Zum anderen müsse eine eindeutige Etikettierung des Beefs "vom Erzeuger bis zum Konsumenten" gewährleistet sein.

Nach französischen Angaben reicht die bisherige Kennzeichnungspflicht nicht aus. Nach dem aktuellen Stand sei nicht auszuschließen, daß britisches Rindfleisch über Drittländer importiert wird. Dabei könnte die Herkunft des britischen Beefs verschleiert werden, fürchtet man in Paris. Glavany hat daher die EU-Kommission aufgefordert, eine Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht zu erlassen. "Über das Prinzip sind wir uns einig", erklärte Glavany. Einigkeit bestehe ebenfalls über die Notwendigkeit von BSE-Tests. Allerdings stritten die Experten noch über Umfang und Zuverlässigkeit der Tests.

Wirtschaftsminister Christian Sautter wies Spekulationen zurück, wonach das französische Embargo mit der britischen Weigerung in Zusammenhang stehen könnte, einer einheitlichen europäischen Zinsbesteuerung zuzustimmen. Paris stelle "selbstverständlich keinerlei Verbindung" zwischen diesen beiden Fragen her, so Sautter. Das französische Importverbot sei "weder ein diplomatischer Hebel, noch ein kommerzielles Problem, sondern die konkrete Anwendung des Verbraucherschutzes".

In der Tat kann man Paris im "Rindfleischkrieg" kaum kommerzielle Erwägungen oder gar einen politisch motivierten Protektionismus unterstellen. Frankreich war zwar vor dem EU-Embargo der größte europäische Abnehmer britischen Rindfleischs. Doch weder französische Rinderzüchter noch Pariser Politiker haben bisher kommerzielle Interessen ins Feld geführt. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Infolge des Embargos droht ein britischer Boykott französischer Produkte, manche sprechen gar von einem Handelskrieg. Unter rein kommerziellen Aspekten ist das Pariser Importverbot also ein Eigentor.

Man darf Premierminister Jospin deshalb beim Wort nehmen, wenn er die vorrangige Sorge um die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz" anführt. Für Jospin gehört die "sanitäre Sicherheit der Lebensmittel" zu den politischen Prioritäten. Seit dem Skandal um aidsverseuchte Blutpräparate nimmt sie fast denselben Rang wie die innere oder äußere Sicherheit ein.

Jospin möchte um jeden Preis vermeiden, dass es ihm wie seinem Amtsvorgänger Laurent Fabius ergeht: Fabius musste sich vor der Justiz verantworten, weil er im Verdacht stand, in den 80er Jahren kostspielige Aids-Tests für Blutpräparate verschleppt zu haben - und so indirekt am Tod Dutzender Franzosen schuld zu sein. Zwar wurde Fabius letztlich freigesprochen, doch Jospin hat die Lektion gelernt: Verbraucherschutz hat Vorrang, im Zweifel sogar vor Europa.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false