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Frankreich: Vier Frauen und keine Polygamie

Die Frau fährt verschleiert Auto, ihr Ehemann hat noch drei andere Frauen. Die Posse um einen eingebürgerten Mann beschäftigt Paris.

Immer ist Madame Hebbadj verschleiert Auto gefahren. Niemand hat an ihrem Niqab, der nur einen Schlitz für die Augen freilässt, Anstoß genommen. Doch kürzlich wurde sie in den Straßen von Nantes von einer Streife angehalten. Wegen eingeschränkter Sicht könne sie ihr Fahrzeug nicht sicher durch den Straßenverkehr steuern, meinten die Beamten und brummten ihr eine Buße von 22 Euro auf. Die 31-jährige Französin, die zur Überprüfung ihrer Identität das Gesicht enthüllen musste, protestierte und trat damit eine groteske Kontoverse los.

Als Antwort auf die Vorwürfe der Frau, die sich in einer Pressekonferenz als „Opfer von Willkür“ bezeichnete, ordnete Innenminister Brice Hortefeux eine Untersuchung an. Dabei kam heraus, dass der Mann der Automobilistin, der 35-jährige Algerier Lies Hebbadj, der durch die Eheschließung mit ihr 1999 Franzose wurde, nicht nur einem radikalen Flügel des Islam angehört, sondern neben ihr auch noch drei andere Frauen hat. Mit allen zusammen habe er zwölf Kinder. Zum Unterhalt der Kinder kassierten sie Sozialhilfen für alleinstehende Mütter.

Hortefeux forderte umgehend den Minister für Einwanderung und nationale Identität, Eric Besson, auf, die Frage zu prüfen, ob der geborene Algerier wegen Polygamie und Erschleichung von Sozialleistungen die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen sei. Damit hoffte der Innenminister wohl, einen Beweis der Dringlichkeit zu bringen für die wenige Tage vorher von Präsident Nicolas Sarkozy getroffene Entscheidung, ein gesetzliches Verbot des islamischen Ganzkörperschleiers im Eilverfahren durchzusetzen. Doch als Jurist hätte Hortefeux wissen müssen, dass das Gesetz zwar die Möglichkeit der Annullierung von Einbürgerungen bei schweren Verbrechen, etwa bei Terrortakten, vorsieht, nicht aber bei Straftaten wie Polygamie.

Durch weitere Enthüllungen wurde die Affäre für den Innenminister noch peinlicher. Nachforschungen in der Gemeinde bei Nantes, in welcher der Ehemann der Autofahrerin als Inhaber einer islamischen Metzgerei wohnt, ergaben, dass er wohl nur mit einer Frau verheiratet ist. Mit zwei Frauen lebe er unter einem Dach, die beiden anderen pflege er in angrenzenden Reihenhäusern aufzusuchen. Ob das stimmt, soll nun die Staatsanwaltschaft herausfinden. Sie hat eine Untersuchung wegen des Verdachts der Polygamie sowie des Sozialversicherungsbetrugs eingeleitet. Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf der Polygamie. Er habe Mätressen, bestätigte Lies Hebbadj in einer Pressekonferenz im Beisein seiner verschleierten Ehefrau. „Aber Mätressen zu haben, ist weder in Frankreich noch im Islam verboten“, sagte er. „Wenn das ein Grund wäre, die Staatsbürgerschaft aberkennen, müsste sie vielen Franzosen aberkannt werden.“ Dem Innenminister drohte er eine Verleumdungsklage an.

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