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Frankreich: Wo Schuleschwänzen teuer wird

Vor allem in Problemvierteln am Rande von Frankreichs Großstädten erfreut sich das Schulschwänzen großer Beliebtheit. Präsident Sarkozy will nun Eltern durch finanzielle Einbußen zu mehr Aufmerksamkeit für ihre Kinder erziehen.

In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts ließ sich Pascal, ein junger Lehrer in einem Dorf in Südfrankreich, der am Desinteresse der Schüler an seinem Unterricht verzweifelte, etwas Neues einfallen. Er hörte sich an, was die Kinder bewegte und ging mit ihnen in die Natur. Dort ließ er sich von ihren Beobachtungen zu anderen Methoden inspirieren. So entstand die „école buissonnière“, frei übersetzt: die Schule im Gebüsch, die 1949 den Titel für einen populären Film lieferte. Heute verstehen die Franzosen unter „école buissonnière“ etwas anderes als diese pädagogische Idylle, das Schuleschwänzen, das sich vor allem in den Problemvierteln am Rande der Großstädte großer Beliebtheit erfreut. Jetzt sagt Frankreich dem Blaumachen den Kampf an.

Familien, deren schulpflichtige Kinder wiederholt dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben, müssen künftig damit rechnen, dass ihnen das Kindergeld gestrichen wird. Ein entsprechendes Gesetz, das der konservative Abgeordnete Erich Ciotti eingebracht hatte, war bereits im Juni von der Nationalversammlung beschlossen worden und wurde nun vom Senat verabschiedet. Die konservative Parlamentsmehrheit folgte damit Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der wiederholt strengere Sanktionen fürs Schuleschwänzen gefordert hatte. In diesem „Krebsgeschwür“ sieht er eine der Ursachen der zunehmenden Delinquenz von Jugendlichen. Die linke Opposition kritisiert das Gesetz als „unwirksam, populistisch und aggressiv“. Es füge sich in den in jüngster Zeit von der Nationalen Front übernommenen „autoritären und demagogischen Diskurs“ ein, sagte der sozialistische Abgeordnete Yannick Bodin.

Ganz neu ist die Maßnahme, die auch in Deutschland Befürworter wie den CDU-Politiker Volker Kauder hat, für Frankreich nicht. Die Möglichkeit, das Kindergeld zu streichen, sieht schon ein Gesetz aus 2006 vor. Allerdings wurde bislang davon kaum Gebrauch gemacht. Der Sanktion ging eine komplizierte Prozedur voraus, und sie konnte erst angewendet werden, wenn eine Vermittlung zwischen Schulbehörde und Eltern gescheitert war. Jetzt gilt, wenn ein Schüler viermal im Monat unentschuldigt fehlt, soll die Schulbehörde die Eltern verwarnen. Wiederholt sich das Schuleschwänzen im folgenden Monat, wird die Kindergeldzahlung ausgesetzt und erst wieder aufgenommen, wenn der Schüler wieder einen Monat lang regelmäßig im Unterricht war.

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