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Politik: Frankreichs Abu Ghraib

1995 sollen Polizisten islamistische Terrorverdächtige gefoltert haben

Nicht nur die Amerikaner haben ein Abu Ghraib, wo beispielsweise ein irakischer Gefangener mit verhülltem Kopf an einer Leine vorgeführt wurde. Szenen wie diese hat es vermutlich auch schon in Frankreich gegeben. Das berichten jedenfalls drei Journalisten des Pariser Nachrichtenmagazins „Le Point“ in einem soeben erschienenen Buch.

Die Vorwürfe, die sich auf Aussagen von Beteiligten und Zeugen stützen, beziehen sich allerdings auf Taten, die inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegen und damit strafrechtlich verjährt sein dürften. Dem Innenministerium erschienen sie jedoch so schwerwiegend, dass es Ende vergangener Woche die Generalinspektion der Polizei mit einer internen Untersuchung beauftragte, um die Vorwürfe aufzuklären. Das Buch erschien unter dem Titel „Place Beauvau“. An diesem Platz in Paris hat das Innenministerium seinen Sitz. 18 Beamte der Antiterrorabteilung der Kriminalpolizei wurden nach Informationen des „Journal du Dimanche“ bereits vernommen.

In ihrem Buch über die internen Rivalitäten der französischen Polizei geben die drei Autoren Berichte von namentlich nicht genannten Beamten über die Methoden wieder, mit denen die Polizei 1995 Bombenleger zu fassen suchte, die den „Groupes islamiques armées“, den „bewaffneten islamischen Gruppen“ im algerischen Bürgerkrieg zugerechnet wurden. In einer Serie von Attentaten, unter anderem auf die Pariser Schnellbahn RER, waren im Sommer jenes Jahres acht Menschen getötet und 220 verletzt worden. Am 11. September 1995 sei, wie ein inzwischen pensionierter Beamter den Buchautoren „unter Tränen“ berichtete, Slimane Rahmouni, ein bei einer Razzia in Lyon festgenommener verdächtiger Islamist, im Kommissariat der Rhonestadt von ihm selbst den 15 zu einem Umtrunk versammelten Lyoner Kollegen mit einer Plastiktüte über dem Kopf „wie ein Tier an einer Leine“ vorgeführt worden. Vier andere Beamte, schreiben die Autoren, hätten ihnen das reumütige Bekenntnis bestätigt. Ein Kommissar, der „unfreiwillig Zeuge“ geworden war und bei einem Vorgesetzten protestierte, sei von diesem „zum Teufel gejagt worden“. Claude Guéant, der frühere Generaldirektor der französischen Polizei und heutige Kabinettschef von Innenminister Nicolas Sarkozy, erklärte, er könne das „kaum“ glauben.

Auf den Ermittlern habe damals ein ungeheurer Druck von oben gelastet. „Wir mussten, koste es ,was es wolle, die Bombenleger finden“, zitieren die Autoren einen Beamten, „dafür hatten wir freie Hand“. Unter Berufung auf die Zeugen berichten die Autoren weiter, wie Rahmouni mit einer im Handel gekauften elektrischen Selbstverteidigungswaffe gefoltert worden sei. Jedesmal wenn er mit dem Gerät in Berührung kam, sei er in die Höhe gesprungen. Ein Beamter habe die Sprunghöhe jeweils an der Wand angestrichen. Zwei andere verdächtige Islamisten seien auf dieselbe Weise gefoltert worden. Vor ihren Augen seien Beamte auf den Koran getreten. Ein Imam sei sogar während seiner Festnahme in den Räumen des Innenministeriums gefoltert worden.

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