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Ein Bild von einem Mann. Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron setzt sich gern in Szene.

© AFP

Frankreichs neuer Präsident: Wie inszeniert sich Emmanuel Macron ?

Bilder statt Worte: Emmanuel Macron pflegt einen neuen Stil des Umgangs mit den Medien. Er kontrolliert sein Image als Präsident.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Diese Redewendung trifft perfekt auf Frankreichs neuen Präsidenten Emmanuel Macron zu. Er inszeniert sich lieber durch Bilder als durch Worte: Unvergessen ist sein dramatischer Auftritt im Hof des Louvre bei seinem Sieg, zu dem die Europahymne „Ode an die Freude“ von Beethoven erklang.

Am Tage der Amtsübernahme fuhr er im offenen Militärauto die Champs-Elysées hoch, präsentierte sich damit als Feldherr. Bei seinem Deutschlandbesuch legte er die Hand auf Merkels Schulter, sie ihre Hand auf seine Schulter – ein Symbol für die deutsch-französische Freundschaft. Beim ersten Treffen mit US-Präsident Donald Trump in Brüssel dauerte der Handschlag für die Kameras erstaunlich lange, Macron wollte bei diesem wichtigen internationalen Termin offenbar gar nicht loslassen.

Momentaufnahmen wie diese gibt es viele. Frankreichs neuer Präsident kontrolliert sein Image, gibt sich lässig und sympathisch, postet die Fotos in den sozialen Medien – Storytelling à la Macron –, hält aber die Medien auf Abstand. In Frankreich wird diese neue Form der Kommunikation schon als eine Mischung aus Barack Obama und François Mitterrand bezeichnet. Macron zeichnet ein cooles Bild von sich wie Obama und macht sich rar wie Mitterrand. Wenn er spricht, dann vor allem um eine klare Botschaft zu vermitteln und die lautet: „Reformen“ seien nötig in Frankreich. Trotz seiner Zurückhaltung ist er auf Twitter und Facebook die meistzitierte Person.

Die Medien sind über diese Behandlung verärgert

Christian Delporte, Spezialist für politische Kommunikation an der Universität von Versailles, analysiert die Strategie: Macron wolle dem Amt wieder „Macht“ verleihen, indem er auf Distanz gehe. „Er steht zwischen Tradition und Moderne. Der moderne Teil dabei ist Obama, das geleckte Bild, das man der Presse gibt. Die Tradition ist das Mitterrand-Model der seltenen Stellungnahmen.“ Auch Nicolas Prisette, Journalist und Autor des Buches „Emmanuel Macron, le Président inattendu“ (Der unerwartete Präsident) erklärte, Macron befürchte, dass zu viel Kommunikation wie bei François Hollande „das Wort des Präsidenten schwächt“.

Frankreichs Medien sind von dieser Behandlung vor den Kopf geschlagen. Das begann kurz nach der Amtsübernahme. Beim ersten Ministerrat im Elyséepalast durften sie nicht wie üblich mit den Ministern reden, sondern mussten den Innenhof verlassen, was aber wohl eine Ausnahme für das erste Treffen sein sollte. Es gab nur ein offizielles Palastfoto. Als der Präsident für seinen Besuch bei französischen Truppen in Mali die Journalisten auswählte, die ihn begleiteten, hagelte es Proteste. Zahlreiche Medien, darunter AFP, „Le Monde“ und „Le Figaro“ schrieben ihm einen offenen Brief: „Es steht dem Elyséepalast nicht zu, die Journalisten auszusuchen.“ Sie befürchten eine Zensur. Macrons Sprecher versuchen zu beruhigen: Man wolle nicht immer dieselben Journalisten bevorzugen, sondern je nach Thema immer einen anderen mitnehmen. Macron vermeidet so ganz geschickt, dass jemand zu genau hinter die Kulissen blickt.

Damit bricht er mit den Gepflogenheiten unter Hollande, der immer offen für ein Gespräch mit Journalisten war und diesen auch SMS schickte. Doch Macron hatte als Wirtschaftsminister unter Hollande gesehen, wohin das führt. Dieser gab Einschätzungen im „Off“, vertrauliche Informationen kamen heraus, der Präsident wurde zum Klatschthema, von Amt und Würde war nichts mehr zu spüren. Hollande hatte sogar an einem Buch mitgearbeitet, bei dem er sehr indiskret wurde. Nach dem Erscheinen des Buches „Un président ne devrait pas dire ça“ (Ein Präsident sollte das nicht sagen) im Oktober 2016 von Gérard Davet und Fabrice Lhomme kritisierten Frankreichs Medien: „Warum ist er so geschwätzig?“

Seine Inszenierung betreibt er schon seit seiner Kampagne

Macron will in Abgrenzung zu Hollande zu viel Offenheit vermeiden, vor allem vor den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni, bei denen es darum geht, die Mehrheit zu erlangen. „Vorher ist die Kommunikation verschlossen“, so „Les Echos“. Hollande kommentierte das, man werde ihn noch vermissen. Diesen abwehrenden Umgang mit den Medien kannte man bisher eher von US-Präsident Donald Trump oder der Rechtsextremen Marine Le Pen, die unliebsame Journalisten ausschloss.

Frankreichs neuer Präsident sagte schon im Wahlkampf über sein Verhältnis zu Journalisten: „Ich werde sie nicht in die Küche lassen. Sie sind keine Freunde.“ Er respektiere sie, doch zu viel Nähe sei nicht gut für ihre Berufsausübung. Viele Franzosen sahen den von der Presse thematisierten Affront allerdings ganz gelassen. In Kommentaren zu Artikeln über das Thema hieß es eher, die Würde des Amtes sei unter Macrons Vorgängern verloren gegangen: „Sarkozy und Hollande haben die Presse gefüttert. Ein Präsident ist kein Star einer Reality- Show.“

Seine Inszenierung betreibt Macron schon seit seiner Kampagne. Der Regisseur Yann L’Hénoret begleitete ihn acht Monate, der 90-minütige Dokumentarfilm „Emmanuel Macron, les coulisses d’une victoire“ (Die Kulissen eines Sieges) war schon einen Tag nach der Amtsübernahme im Fernsehen zu sehen – das gab es noch nie. Nur ein Prozent des Materials des glorreichen Aufstiegs war allerdings zu sehen, es zeigte ein perfektes Bild von Macron, lächelnd, charmant, immer cool auch in der Krise. Es gibt keine Spannungen im Team, nichts stört das Bild des netten Helden. Selbst wenn er ein Ei auf der Landwirtschaftsmesse auf den Kopf bekommt, findet er das lustig.

Aus seinem Team fällt in dem Film vor allem die farbige Presseberaterin Sibeth Ndiaye (37) auf, die Macron fast den Platz als Hauptfigur strittig macht. Bewusst, so Frankreichs Medien: Sie ist die farbige Vorzeigefrau im sonst fast nur weißen, männlichen Team. Gezeigt wird auch seine Frau Brigitte, die ihrem „Manu“ die Schokolade untersagt, was sehr menschlich wirkt. Verzichtet wurde auf alles, was am Bild nicht so perfekt ist, etwa die Kritik in Frankreich an Macrons Triumphfeier im Restaurant „La Rotonde“ nach dem ersten Wahlgang. So konstruiert man einen Mythos, transportiert aber nicht die Wahrheit.

Macron hat auch privat die Lehren aus den Blamagen seines Vorgängers gezogen, der zum Star der Klatschzeitung „Closer“ geworden war, als er mit dem Motorroller bei Julie Gayet vorfuhr. Macron lässt sich deshalb von „der Mata Hari der Paparazzi“ beraten, die über das Image wacht. Michèle (Mimi) Marchand (70) ist maßgeblich am Storytelling der Macrons und seinem Aufstieg beteiligt, auch wenn sie im Gegensatz zum restlichen Team im Dokumentarfilm keine Erwähnung findet – im Hintergrund zieht sie die Fäden.

Mimi, die die Fotoagentur Bestimage für Prominentenfotos leitet, weiß alles, was in der Klatschwelt, von Paris über Monaco bis nach Hollywood passiert. Angeblich soll sie hinter den Fotos von Hollande auf dem Motorroller stecken. Sie war vorher auch die Beraterin von Carla Bruni. Der Unternehmer Xavier Niel, Miteigentümer von „Le Monde“ und gut mit Macron befreundet, hat sie an die Macrons vermittelt. Seitdem saß die 70-Jährige, die ein aufregendes Leben hinter sich hat, in den Veranstaltungen von Macron. Zwei ihrer Ehemänner waren im Gefängnis, sie auch zwei Jahre, es ging um den Einbruch eines Mannes. Sie gründete danach einen Nachtclub für lesbische Frauen und sammelte Kontakte, so landete sie später bei dem Klatschblatt „Voici“ und gründete die Online-Seite „Purepeople“. Galt das Privatleben von Politikern vorher als tabu, wurde nun ständig darüber berichtet. Nur beste Kontakte mit Mimi konnten das verhindern.

Die Macrons wurden zu romanesken Serienhelden stilisiert

Als es Gerüchte darüber gab, dass Macron homosexuell sein soll, wurde sie darauf angesetzt, fand allerdings nichts Verdächtiges. Sie inszenierte als Abwehrreaktion das Paar, dessen Altersunterschied für Gesprächsstoff sorgte. „Du bist schön, ihr müsst euch zusammen zeigen“, sagte sie zu Brigitte (64) und es entstand das Foto auf dem Titel von „Paris Match“, auf dem diese im Badeanzug mit perfektem Körper neben Macron (39) am Strand von Biarritz spaziert. Die Macrons wurden mit Zeitschriftentiteln wie „Die Macrons in den Ferien“, „Die Macrons sagen ja zum Elyséepalast“ oder „Die Macrons im Wahlkampf“ zu romanesken Serienhelden stilisiert. Mimi ist es gelungen, dass auch seriöse Tageszeitungen Macron wie einen Messias beschreiben und Brigitte als Ikone, die ihren jungen Mann glaubwürdiger macht.

Bisher konnte ihm auch die Presseschelte wenig anhaben. Laut einer aktuellen Umfrage von Ifop für „Paris Match“ sind 66 Prozent der Franzosen mit Macron zufrieden. In einer Meinungsumfrage des Instituts OpinionWay/Orpi, die am Freitag von der Wirtschaftszeitung „Les Echos“ und von Radio classique verbreitet wurde, kommt Macrons sozialliberale Bewegung La République en marche in Frankreich auf 28 Prozent – und damit auf die absolute Mehrheit der Parlamentssitze.

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